8 / Bürgermeister Filippo Smaldino Wie viele von Ihnen kennen „Momo“ und „Die grauen Herren“ von Michael Ende, dem Autor von „Die unendliche Geschichte“? Beide Bücher waren ein wichtiger Teil meiner Kindheitslektüre und „Momo“ ist, selbst aus meiner heutigen Erwachsenenperspektive, nicht nur ein erstaunlich gut gemachter Roman, sondern mittlerweile ein warnender Appell an unsere Gegenwart. Zeit um zuzuhören In seinem Roman „Momo“, in dem es um das Thema „Zeit“ geht, hat der Schriftsteller Michael Ende seiner Heldin eine besondere Gabe verliehen. „Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, war zuhören. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte – nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm plötzlich Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so gut zuhören, dass ratlose, unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden.“ Zugegeben, Michael Ende legt hier die Latte sehr hoch, aber er verdeutlicht die wundersame Wirkung, die aktives Zuhören haben kann: Ich werde mir selbst der Dinge klar und bewusst, wenn mir jemand aufmerksam zuhört. Heutige Zeit Als junger Student hatte ich damals in Sozialpsychologie das Thema: „Vom entfremdeten Bewusstsein zum Bewusstsein der Entfremdung“ und unweigerlich finde ich hier den Zusammenhang zum Roman und zur heutigen Wirklichkeit. Weil Momo über alle Zeit der Welt verfügt, ist sie unempfänglich für die Verführungen der im Buch benannten „grauen Herren“, die langsam aber sicher die Macht über die Stadt und ihre Bewohner übernehmen. Die grauen Herren bringen die Menschen dazu, mehr und mehr Zeit zu sparen – und betrügen sie letztlich um genau diese. Verlorene Zeit Tagtäglich sehe ich, nicht zuletzt an mir selbst bzw. an uns, dass Endes Roman und die gegenwärtige Lebenswirklichkeit viel miteinander zu tun haben. Im Roman stehlen die grauen Herren den Menschen die Zeit und nennen es: sparen. „Zwar waren denn: Unsere Zeit ist nicht unendlich ... Carp Diem Die Gedanken von Bürgermeister Filippo Smaldino zum Jahresende: Die etwas andere Weihnachtsrede.
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