Mühlenspiegel 37

14 / Ukrainehilfe im Mühlenbecker Land Die kleine Ulyana ist gerade einmal drei Monate alt – sie wurde am 24. Februar 2022 in Kiew geboren, amTag, als der Krieg ausbrach. Nur wenige Tage später schickte Papa Dimitri Mutter und Tochter auf die ungewisse Reise, die sie in mehren Tagesetappen bis nach Zühlsdorf führte. Bei der fünfköpfigen Familie Drews fanden sie herzliche Aufnahme. Nataliia und Ulyana wohnen im Gästezimmer mit eigenem Bad. Die Entscheidung, das Zimmer für ukrainische Geflüchtete zur Verfügung zu stellen, sei spontan und ohne großes Nachdenken gefallen, erinnert sich Gastmutter Fenja. Sie gibt zu, dass dies wohl auch mit der besonderen Situation zu tun habe: „Man wusste halt, dass Frauen mit Kindern kommen. Das ist vielleicht gemein, aber da fühlte ich mich einfach sicherer als wenn wir einen Mann aufgenommen hätten“, so Fenja, wohl vor allem im Hinblick auf ihre eigenen drei Kinder. Für die gehören Nataliia und das Baby inzwischen fest zur Familie. Die kleine Ulyana wird von den Kindern sichtlich vergöttert. Der Umgang miteinander ist herzlich, aber rücksichtsvoll. „Nataliia war noch nie bei uns im Obergeschoss“, erzählt Aaron, der älteste der Geschwister. Ja, bestätigt seine Mutter, sie würde die Küche und das Wohnzimmer mitnutzen, aber die übrigen Bereiche der Familie sehr respektieren. Ab und zu koche Nataliia auch mal Ukrainisch für alle: „Manches schmeckt schon“, verrät Aaron mit herzlicher Offenheit. Und dann ist da die Sprachbarriere: „Wir reden in Babysprache“, lacht Fenja. Und damit klappt die Verständigung ziemlich gut. An vielen Gegenständen hat die Familie kleine Aufkleber angebracht, auf denen die Begriffe in Deutsch und Ukrainisch stehen. Seit kurzen besucht Nataliia den Deutschkurs in Zühlsdorf, auch das hilft bereits. Und den Rest machen sie per Übersetzung-App. „Das klappt super!“ Etwas anstrengend seien vor allem zu Beginn die vielen Behördengänge gewesen, berichtet Fenja. Auch die nötigen Untersuchungen für das Neugeborene und seine Mutter. „Ich bin da sehr verbissen, will das immer selbst durchziehen“, gibt sie zu. Aber da gebe es so viele Helfer, die ihnen unter die Arme gegriffen haben. „Ich musste nur in die WhatsApp-Gruppe schreiben, dann hatte ich schon eine Antwort.“ Daneben habe sie die Koordinationsstellen im Mühlenbecker Land und im Landkreis Oberhavel mit Anfragen bombardiert – und habe auch darüber viel Unterstützung erhalten. Obwohl sie sich bei Familie Drews wohlfühlt, merkt man doch, dass sich Nataliia nach einem eigenen Reich sehnt. Ihre Schwester wohnt ebenfalls in der Nähe, kann sie aber nicht mit aufnehmen. Daher sucht Nataliia nach einer eigenen Unterkunft für sich und ihre kleine Tochter – bisher ohne Erfolg. Wenn es nach Familie Drews geht, kann sie gern noch bleiben: „Wir würden es wieder tun!“ Das Zusammenleben sei eine unglaubliche Bereicherung, für alle. „Wer mit dem Gedanken spielt, jemanden aufzunehmen, dem kann ich nur sagen: Tut es!“, insistiert Fenja. „Es gibt so viele Menschen, die helfen, es findet sich immer jemand. Man muss nur fragen!“ Die komplette Babyausstattung – Kinderbett, Babyschale, kistenweise Windeln und Babyklamotten – sei oft innerhalb von nur wenigen Stunden bei ihnen vorbeigebracht worden. Die Familie habe durch Nataliia so viele Menschen neu kennengelernt. „Total viele tolle Leute!“ So ist der Stand Die bei uns 168 registrierten Menschen sind mittlerweile alle bei der Ausländerbehörde gemeldet und damit krankenversichert. Wer sich im Einwohnermeldeamt angemeldet hat, kann ein Bankkonto einrichten und erhält Beihilfen vom Staat. Diese Menschen können eine vorläufige Arbeitserlaubnis beantragen, die später in eine dauerhafte Erlaubnis mündet. Einige haben bereits einen Job angetreten. Viele Ukrainer besuchen zudem zwei- bis dreimal wöchentlich die von Ehrenamtlern angebotenen Deutsch-Kurse für Erwachsene, welche in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Oberhavel z.B. auf spätere Integrationskurse vorbereiten. Regelmäßig treffen Ukrainer, ihre Gastgeber und ehrenamtliche Helfer sich zum Kennenlernen und Erfahrungsaustausch – z.B. im Mühlentreff Mühlenbeck oder im Mehrzweckraum Zühlsdorf. Neue Gesichter sind stets willkommen: Termine erfahren Sie bei der Koordinationsstelle. Ukrainische Kinder haben ein Recht auf Betreuung und Beschulung. In den Kitas der Gemeinde Mühlenbecker Land werden mittlerweile 13 ukrainische Kinder betreut. Die beiden Grundschulen Mühlenbeck und Schildow haben gemeinsam bereits 27 ukrainische Kinder aufgenommen, die im Klassenverband unterrichtet werden. Zusätzlich haben beide Schulen ukrainisch-sprachige Lehrinnen eingestellt – in Mühlenbeck selbst eine Geflüchtete. Diese erleichtern den Kindern den Start in altersübergreifenden „Willkommenskursen“. Zusätzlich sollen etwa acht weitere ukrainische Kinder im Sommer in die neuen Ersten Klassen eingeschult werden. Die Gesamtschule Mühlenbeck richtete Mitte Mai eine temporäre „Willkommensklasse“ ein, in der bis zu 16 Jugendliche altersübergreifend in 20 Wochenstunden auf den Regelunterricht im neuen Schuljahr vorbereitet werden. Zahlen & Fakten zur aktuellen Situation mit Herz Hilfe Bei Familie Drews in Zühlsdorf lebt seit einiger Zeit Nataliia Korochenko mit ihrer Tochter Ulyana Familie Drews in Zühlsdorf Fenja Drews (Mutter), Aaron, Nora + Annika sowie Nataliia Korochenko (mit Baby auf Arm) + Ulyana (Baby) Deutschunterricht in Zühlsdorf Harald Grimm (Lehrer im Ruhestand) unterrichtet regelmäßig ehrenamtlich

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