Mühlenspiegel 35

Ariane Fäscher im Interview / 29 Was war Ihre schwierigste Entscheidung in Ihrer politischen Kar- riere? A.F.: Ich glaube, das war ganz am Anfang, ob es richtig ist, an der Sit- zung teilzunehmen und dafür auf das Vorlesen am Bett meiner Kinder zu verzichten. Das ist einer der Gründe, warum es weniger Frauen in der Politik gibt. Die Strukturen und Zeiten sind mit Familie bisher schwer vereinbar. Wegen des Mangels an Frauen in der Politik haftet ihnen an, dass sie bei verschiedenen Positionen eher bevorzugt werden. Kann man das so pauschal sagen? A.F.: Nein. Männer sind an ihre Privilegien gewöhnt. Es findet sich im- mer ein Mann, der sich eine Position zutraut, egal wie viel oder wenig qualifiziert er ist; Frauen sind oft selbstkritischer und trauen sich we- niger zu. Insofern ist es richtig, Frauen die gleichen Chancen zu er- möglichen – jeder Neueinsteiger muss Erfahrungen sammeln und in seine Rolle hineinwachsen. Da Führungskräfte fast immer Nachwuchs fördern, der sie an sich selbst in jungen Jahren erinnert, ziehen Män- ner fast immer Männer nach. Wir brauchen daher starke weibliche Rollenvorbilder. Ohne eine gezielte Frauenförderung würde es nach Studienergebnissen noch etwa 40 Jahre dauern, bis in Führungsposi- tionen Gleichberechtigung eingezogen wäre. Warum erstarkt momentan in unserer Region das rechte Lager? Und was wollen Sie dagegen tun? A.F.: Das ist eine Frage, die man mit einem eigenen Essay beantworten müsste. Es hat etwas mit Zukunftsangst, gefühlter Chancenungerech- tigkeit, fehlender Anerkennung von Lebensleistung und Ohnmachts- gefühlen in einer globalen Welt zu tun. Parallel dazu sorgen soziale Medien dafür, dass sich die eigenen Meinungsblasen immer mehr ge- genseitig bestärken undman sich anonym imNetz austoben kann. Das wird gezielt von der rechtsextremen Szene gesteuert und verstärkt, eine Neiddebatte gegen Minderheiten geschürt. Menschen, die unzu- frieden sind, äußern sich. Die Zufriedenen schweigen meist. Das führt zu einer öffentlichen Wahrnehmung, dass die Welt viel schlechter sei als die Menschen sie in Wirklichkeit empfinden. Zu lange hat die de- mokratische Mehrheitsgesellschaft geschwiegen anstatt vernehmlich „Stopp“ zu sagen. Deswegen sind radikale und menschenverachtende Äußerungen wieder viel zu selbstverständlich in der Öffentlichkeit zu hören, werden „normal“. Wir haben es alle in der Hand, hier Gren- zen einzufordern. Es fängt bei der Familienfeier oder in der Nachbar- schaft an. Ich werde daran mitwirken, dass diese Gesellschaft ein Ort wird, an dem sich Menschen sicher und wertgeschätzt fühlen, damit jeder Mensch in der Demokratie seine Heimat finden kann. Ariane Fäscher privat: Welchen Interessen haben Sie über Politik hinaus? A.F.: Vor der Pandemie habe ich regelmäßig gesungen und Gesell- schaftstanz gemacht. Aktuell sind es daher wieder mehr Musik hören, Lesen sowie Gespräche und Spieleabende in der Familie. Ich liebe die Nordsee und interessiere mich sehr für Psychologie. Was gab den Ausschlag, dass Sie Politikerin werden wollten? A.F.: Ich wollte nicht Politikerin werden, sondern mein Umfeld mitge- stalten. Deshalb habe ich angefangen mich einzubringen und meine Argumente für oder gegen eine Planung am Ort vorzubringen. Struk- turelle Nachteile für Frauen waren darüber hinaus ein Anliegen, das mich aktiv werden ließ. Und die Welt ein kleines Stückchen besser machen… Das Politikerdasein hat nicht nur Sonnenseiten, was stört Sie am Politikerdasein? A.F.: Sich ständig für das Wohl von Menschen einzusetzen, ist eine wunderbare Aufgabe. Ich würde mir jedoch wünschen, dass es grundsätzlich einen wertschätzenden Ton und einen fairen, freund- lichen Umgang gäbe. Wie schaffen Sie es, Ihr Privat- und Arbeitsleben gut „unter ei- nen Hut“ zu bekommen? A.F.: Meistens gar nicht. Die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ha- ben fast immer Vorrang und das Privatleben steht dahinter zurück. Womit können Sie nach einem harten Arbeitstag entspannen? A.F.: Mit Musik und einer Kuscheleinheit mit der Katze. Wer ist Ihr Held oder Ihre Heldin und warum? A.F.: Sophie Scholl. Ihr Vorbild, für ihre Ideale ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit zu kämpfen und, mehr noch, angesichts der drohenden Ermordung weder diese Ideale noch die Freunde zu verraten, hat mich motiviert und geprägt. Vielleicht wäre ich keine Heldin, aber immerhin kann ich gradlinig und ehrlich für das ein- treten, woran ich glaube. Kontakt: Tel. 030 227 73330, * ariane.faescher@bundestag.de • www.arianefaescher.de Postfachadresse: SPD Wahlkreisbüro OberHavelLand, Ariane Fäscher MdB, Postfach 1102, 16771 Gransee Adresse Büro: Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Das Wahl- kreisbüro wird sehr wahrscheinlich mobil sein, verbunden mit einer Postfachadresse, die es aktuell noch nicht gibt. Ich würde mir wünschen, dass es grundsätzlich einen wertschätzenden Ton und einen fairen, freundlichen Umgang gäbe. Fragen: Redaktion Text: Ariane Fäscher Fotos: privat

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