Mühlenspiegel 34

Vorläufiges Fazit: Jeweils zum Ende seiner sechsjährigen Amtszeit verfasst der Rechtschreibrat einen Bericht für die Kultusminister- konferenz, das nächste Mal im kommenden Jahr 2022. Mit Sicherheit wird er sich darin auch wieder zum sensiblen sprachlichen Umgang mit den verschiedenen Geschlech- tern äußern. Bis dahin sollten die amtlichen Schreiben und das Amtsblatt der Gemeinde Mühlenbecker Land sowie das Bürgermagazin „mühlenspiegel“ nach den amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung verfasst werden, zumal unter den Leserinnen und Lesern des mühlenspie- gels auch Schülerinnen und Schüler zu vermuten sind, die diese Regeln in der Schule korrekt anzuwenden haben. Pri- vat – um das unmissverständlich klarzustellen - ist jedem unbenommen zu schreiben, wie er will - und kann; denn der US-amerikanische Schriftsteller Marc Twain stellte schon 1880 in seinem Aufsatz über „Die schreckliche deut- sche Sprache fest: „Deutsche Sprache, schwere Sprache.“ Persönliche Nachbemerkung: Im Newsletter der „Komischen Oper Berlin“ wurde ich kürzlich als „Liebe*r Harald Grimm“ angeschrieben, wäh- rend der Absender selbst mit seinem Namen und der Funktion als „Leiter Kommunikation“ unterzeichnete, also nicht als „Leiter*in Kommunikation.“ Über die unsinnige Anrede (und Ungleichbehandlung) war ich verärgert und habe ihm geantwortet: „Als Leser mag ich mich die- ser sprachlichen Willkür nicht beugen und verzichte da- her auf Ihren Newsletter, solange er mit diesem Ärgernis beginnt. Mit freundlichem Gruß, Harald Grimm, Liebha- ber der deutschen Sprache, offen für deren Veränderung, aber nicht für deren Instrumentalisierung“. Nach zwei Wochen hat sich die Komische Oper durch die zuständi- ge Mitarbeiterin bei mir entschuldigt: Als jemanden, „der sich eindeutig einem binären Geschlecht zuordnet, (...) möchten wir Sie auch entsprechend anreden. Um Ihnen einen zukünftigen Besuch in der Komischen Oper Berlin etwas zu verschönern, möchte ich Ihnen als kleine Wie- dergutmachung gerne zwei Sektgutscheine zukommen lassen.“ Das ist sprachlicher Dialog, wie er mir gefällt. Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte, fin- det auf der Website der Gesellschaft für deutsche Spra- che (GfdS), die auch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages berät, ausführliche Hinweise. Dabei ist be- sonders hilfreich, dass mit einem einfachen Grün-Gelb- Rot-Ampelsystem die Empfehlungen der Sprachwissen- schaftler und -praktiker dargestellt und begründet werden: www.gfds.de/standpunkt-der-gfdszu-einer-geschlechter- gerechten-sprache/ Grundsätzlich sagt die GfdS »Ja zum Gendern« – wenn es verständlich, lesbar und regelkonform ist. HIER EINIGE DER HINWEISE EMPFOHLEN WERDEN: 1. Paarformel/Doppelnennung: Bürgerinnen und Bürger 2. Schrägstrich: Politikerinnen/Politiker oder Gemeindevertreter/-innen, allerdings nicht mög- lich bei Kollegen/-innen oder Arzt/-in 3. Ersatzformen: Studierende (statt Studenten) NUR BEDINGT ZU EMPFEHLEN: Klammer: Erzieher(innen) Die Einklammerung der weiblichen Form erweckt den Eindruck, diese wäre zweitrangig. NICHT ZU EMPFEHLEN: 1. Binnenmajuskel (großes I): die ZühlsdorferInnen, die SchülerInnen Beim Lesen und vor allem beim Vorlesen wird der Anschein erweckt, nur das weibliche Geschlecht sei gemeint. 2. Gendergap durch Unterstrich: Sozialdemokrat_innen wollen nicht Laschet oder Baerbock als Kanzler_in. Auch hier entsteht leicht der Anschein, nur das weibliche Geschlecht sei gemeint. 3. Gendersternchen (Asterisk): die*der Schüler*in und ihre*seine Eltern, ein*e gute*r Schüler*in Der Lesefluss wird gestört, das Vorlesen schwierig. 4. Doppelpunkt statt Schrägstrich: Anwohner:innen begrüßen den Bürgermeister. Auch hier der Anschein, nur das weibliche Ge- schlecht sei gemeint. GERECHTES DEUTSCH? | 53

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