Mühlenspiegel 34

Friedrich Dieckmann dringt mit seinen sieben Essays tief in die Gedankenwelt Beethovens ein. In vielen anderen Biografien zu Beethoven kommt das weni- ger zum Ausdruck. Im Gegenteil. Anton Schindler wird stark kritisiert, teilweise beschimpft, obwohl keiner außer Schindler von der frühen Gehörlosigkeit des großen Musikers wusste. Was auch niemand geglaubt hat. Aber: viele von ihnen nahmen Schindlers Beethoven-Biografie für „ihre“ Beschreibung des Lebens- weges von Beethoven zur Grundlage. Denn: Schindler war nicht nur der Musik- lehrer in Beethovens Kinder- und Jugendjahren in dessen Heimatstadt Bonn, sondern stand ihm auch später in Wien zur Seite. Ganz anders lesen sich die Essays von Friedrich Dieckmann. Sehr intensiv be- schreibt er die Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon, die Jahre 1812/14. „Beethoven stürzt sich mit aller musikalischen Intensität in den Krieg gegen den Usurpator (Napoleon) dessen Name nicht als Widmungsträger, sondern als Pro- gramm er einst einer Sinfonie eingeschrieben hatte. Von Spanien und Russland greift der Krieg gegen Napoleon 1813 auf Preußen über, Österreich steht bis in den Sommer beiseite; in dieser Lage wird dem Komponisten ein in Nordspanien erfochtener Sieg über den Imperator zum Anlass einer Musik von sinfonischer Dimension. 1814 folgen andere Kompositionen, u.a. eine Kantate, die eine mu- sikalische Huldigung der Stadt Wien an den Wiener Friedenskongress ist. Paral- lel dazu wird die Oper Leonore wieder aufgenommen und gewinnt die Wiener unter dem Titel Fidelio in einer Neufassung, die sich als eine Freiheitsmahnung von Tragweite darstellt. Kaiser und Könige, die an diesemWendepunkt der euro- päischen Geschichte auf nichts weiter als auf die Befreiung ihrer Untertanen sinnen, machen dem hörbehinderten Komponisten Komplimente.“ Typisch für diese Zeit der Instrumentalmusik waren die Symphonien, Quartette und Klaviersonaten, Beethovens Symphonie 5 und 9, aber auch die Mondschein- sonate und andere sind durch die Nacht zum Licht führende Werke. Dieckmann stellt eine enge gedankliche Verbindung zwischen Beethoven und Luther her. „Was diese Beiden verbindet, ist ein immanenter Protestantismus, der, auf je eigene Weise, auf den Rechten des einzelnen gegenüber der ange- stammten Hierarchie besteht. Das befähigte sie, ihren Zeitaltern Rhythmus und Melodie als tönenden Inbegriff eines Gemeinschaft stiftenden Widerstandes an die Hand zu geben.“ Luther tat es mit jenem Choral, den Heinrich Heine und Friedrich Engels die Marseillaise des 16. Jahrhunderts nannten, dem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, Beethoven mit der finalen sinfonischen Vertonung von Schillers Freuden-Hymnus „Alle Menschen werden Brüder“. So haben sie ihrer Zeit und allen folgenden ein Maß vorgegeben. Eingeflochten in all diese politischen Geschehnisse werden durch Dieck- mann im 2. Essay „Josephine, Josephi- ne! Melismen des Glücks, Indizien des Dramas“ sehr ausführlich Beethovens Liebschaften und die damit verbun- denen musikalischen Ideen für seine Klavierwerke beschrieben. Das ge- schieht sehr ausführlich und reizt den Leser, sich diese Stücke selbst noch mal anzuhören. Friedrich Dieckmann, Beethoven und das Glück, Fünf Essays Hrsg. und gestaltet von Jens-Fietje Dwars Mit zwei Zeichnungen von Strawalde und einerm Beethoven-Porträt von Moritz Schwind 128 Seiten, Fadenheftung im Festeinband, kirschrotes Vor- und Nachsatzpapier, ISBN 978-3-947646-13-5, EUR 18,00 EUR Buch Friedrich Dieckmann Beethoven und das Glück Von Günter Pioch Fünf Essays Ornament Verlag BUCHTIPP | 35

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