Mühlenspiegel 31

30 / 30 Jahre nach dem Mauerfall – wir trafen Petra Wolf „Schreiben ist mein Leben“, mit diesen Worten fasst Petra Wolf das zusammen, was in den drei Jahrzehnten nach der Wende für sie zu einer ihrer Herzenssachen geworden ist. Souverän und voller Leidenschaft gibt die Schildowerin ihren Einblick in die damaligen Zeiten wieder und legt gleichzeitig das eine oder andere histori- sche Dokument aus wohlgeordneten Mappen vor. So schaue ich mir die erste Ausgabe des „Bürgerschild“ vom Februar 1990 an: Inzwischen ist die Schrift schon stellenweise ver- blasst. Einem Flugblatt gleich, wendet sich die Publikation mit den einleitenden Sätzen an die Leser: „Demokratisierung macht nur Sinn, wenn eine breite Mitwirkung der Bürger an den Entschei- dungen im Ort gewährleistet ist. Das setzt aber zuerst einmal eine Informiertheit voraus.“ Somit hatte das unabhängige Infor- mationsblatt „BÜRGERSCHILD“ – eine Initiative des BÜRGER- komitees SCHILDow – seine Bestimmung gefunden. Petra Wolf gehörte neben Dr. Jens Fur- kert, Gisela und Dr. Bernd Rose sowie Burkhard Miersch zu den Initiatoren. „In den Monaten nach November 1989 war es ein Wunsch, Meinungen öffentlich kund zu tun. Dafür war unser lokales Informationsblatt das richtige Medium,“ erinnert sich Wolf. Ihre ersten Schreibversuche machte die aparte Frau zu eben dieser Zeit: Protokolle vom Runden Tisch Mühlenbeck. Ihre erste Veröffentlichung ist datiert vom 13. März 1990. Ihre Schreibfreude und Begabung sollten sich im Lauf der Jahre nicht nur im journalistischen Bereich etablieren. Aber zu- nächst verlangte das Informati- onsblatt Bürgerschild ihre ganze Aufmerksamkeit. Das hört sich nach viel Arbeit an. „War es auch“, betont Petra Wolf. Wenn sie heute zurückblickt, scheint es ihr fast übermenschlich, was das kleine Redaktionsteam neben Job und Familie ehrenamt- lich vollbracht hat. Recherchen vor Ort, Schreiben und Vorbereiten der Druckunterlagen sowie die Verteilung des Informationsblatts wa- ren eine ausfüllende Arbeit. Nebenher wurden Gesprächsabende, Diskussionsrunden und Ausstellungen organisiert. „Wir waren alle so voller Elan. Endlich durften wir alles sagen und schreiben, alles war möglich“, die Begeisterung bei Petra Wolf spüre ich noch heute, wenn sie über diese Zeit spricht. Bis zur Auflösung der Berliner Bauakademie 1990 war sie dort als Bauwirtschaftlerin tätig und wohnte mit ihrer Familie in Summt. Ein Herz für die Natur muss sie wohl auch haben, empfinde ich, wenn ich in ihren üppig bunten Garten schaue. Als ich danach frage, lacht sie und erzählt von der Öko-Gruppe, die sie an der Mühlen- becker Grundschule gegründet und jahrelang geleitet hat. Eine dankbare und spannende Sache. Und nicht der einzige Bezug zur Natur, denn schon vor der Wende engagierte sie sich in der Gesell- schaft für Natur und Umwelt, später in der Umweltgruppe Mühlen- beck. „Damals haben wir Aktionen geplant, kleine Biotope, wie den Totensee gepflegt und uns für Baumpflanzungen im Ort eingesetzt.“ Manche Themen bleiben eben aktuell, denke ich mir. Die Umweltgruppe, später auch im Nachbarort Schildow aktiv, gab den Anstoß zur Bildung eines Bürgerkomitees. Das war im Januar 1990. Am 6. Februar 1990 konstituierte sich das Bürgerkomitee und rief zur Arbeit am Runden Tisch auf. Petra Wolf schrieb fortan nicht nur über die Arbeit am Runden Tisch Mühlenbeck. Für „Bürgerschild“-Redakteure wie sie flossen die Themen nur so aus der Feder. „Es waren das Miteinander und die Wertschätzung, diese homogene Gruppe des Redaktionsteams, in der es kein Drunter oder Drüber gab“, beschreibt Wolf das Ge- heimnis der jahrzehntelangen Zusammenarbeit. Das war wohl ein Garant, dass das Informationsblatt Bürgerschild über so lange Zeit hin- weg alle 14 Tage erscheinen konnte. Erst 2009 wurde die Herausgabe eingestellt. „Die Zeit war vorbei und wir waren ´verbrannt´, außerdem gab es keine Verpflichtung nach au- ßen“, fasst Petra Wolf die Entschei- dung zusammen. Wie ist sie Journalistin geworden? 1994 fragte Redakteur Jürgen Liebezeit, ob sie nicht für die Lokal- zeitung Oranienburger General- anzeiger schreiben wolle. Einige Journalistik-Seminare später gehör- te Petra Wolf dann zum Generalan- zeiger. Ohne die gesellschaftliche Wende wäre ihr dies nicht möglich gewesen, beschreibt es die heute 65-Jährige. Aber auch ohne ihre of- fene und frische Art, sich auf Men- schen und Themen einzulassen, wäre es ihr nur schwer gelungen. Inzwischen hat sie neben unzähli- gen Beiträgen für die Zeitung auch zwei Bücher veröffentlicht. Auf die Frage nach Unterschieden zwischen Ost und West winkt Petra Wolf ab. Das habe sie nie wirklich interessiert. Sie empfindet den Einwohnerzuzug und die Mischung im Ort als gegenseitige Bereicherung. Sie hat in all den Jahren gelernt, Meinungen stehen zu lassen, sie so wenig wie möglich zu bewerten oder einen Men- schen ab- oder aufzuwerten. Das ist ihre wichtigste Philosophie. Petra Wolf – seit fast 30 Jahren schaut sie über den Tellerrand hinaus, hinterfragt so manches und schreibt darüber: früher als Journalistin – heute als Buchautorin. Schreiben ist mein Leben Text: Gudrun Engelke � Foto: Gudrun Engelke, privat Bei den Treffen des Bürgerschildes gab es stets viel zu bereden, hier Petra Wolf zusam- men mit Detlef Reiner, Gisela & Dr. Bernd Rose (v.l.n.r.)

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