Mühlenspiegel 31

30 Jahre nach dem Mauerfall – wir trafen Rosi und Wilfried Allenberg / 29 Viele Generationen aus dem Mühlenbecker Land haben bei ihnen die Schulbank gedrückt. Zu Ost- wie auch zu Westzeiten waren Rosi und Wilfried Allenberg beliebte Lehrer an der Mühlenbecker Schule. Mit der Wende veränderten sich auch die Lehrpläne – nicht immer zum Besseren. Rosi und Wilfried Allenberg erinnern sich noch recht genau an den 8. November 1989. Das Lehrerehepaar saß abends zuhause vorm Fernsehen und wurde von der Ankündigung, dass ab sofort die Grenzen offen sind, überrascht. „Ja, es war ein schöner Moment, die Unsicherheit kam später“, meint Rosi Allenberg. Sie war zur damaligen Zeit Lehrerin in der Zühlsdorfer Grundschule. Heute ist in dem Gebäude die Kita untergebracht, damals wurden Kinder bis zur 4. Klasse in den Räumen beschult. „Das Jahr 1989 habe ich nicht in so guter Erinnerung“, weiß Wilfried Allenberg. Es gab viele private Angelegenheiten zu klä- ren, im Zusammenhang mit dem Ableben eines Elternteils. Die gesellschaftlichen Umbrüche machten aber vor dem Privatle- ben der beiden Zühlsdorfer nicht halt. Als Lehrkraft stand man vor einem großen Wandel im bis dato gefestigten DDR-Schul- system. Wilfried Allenberg war damals Direktor an der Mühlen- becker Schule. Eine Position, die er seit 1983 bereits innehatte, zuerst an der Schildower Schule. Er war geschätzt und anerkannt, so seine Einschätzung zur lang- jährigen Tätigkeit. Aber Wilfried Allenberg war auch gern Lehrer. Dieser Wunsch ging 1990 in Er- füllung und er arbeitete bis zum Ende seines Schuldienstes 2008 als Chemie- und Biolehrer an der Mühlenbecker Gesamtschule. Bei der erneuten Ausschreibung für den Posten des Schuldirektor hatte rder Zühlsdorfer sich zwar wieder beworben, dann aber zu Gunsten von Otto Saro den Lehrerjob in Naturwissenschaf- ten den Vorzug gegeben, was er nie bereute. Das Schuljahr 1989/90 endete noch nach dem „alten“ Lehrplan, erinnern sich beide. Später wurde ein Rahmenlehrplan erstellt, der Änderungen mit sich brachte, nicht nur zum Besseren, so Al- lenbergs. „Vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern wurden Stunden gekürzt, es wurde weniger Wert auf die Festi- gung und Übung des Lernstoffes gelegt, der sollte kaum in der gesamten Tiefe vermittelt werden, nun stand Faktenwissen im Vordergrund“. Über die nun nicht mehr vorhandenen Grenzen hinweg entstand ein Schüler- und Lehreraustausch mit einer Gesamtschule in Berlin-Wittenau. Interessant war, entsinnt sich Wilfried Allenberg, dass bei einer Hospitation der dortige Schuldirektor den ehemaligen DDR-Lehrern die Worte mit auf den Weg gab: „Versuchen sie, dieses Schulsystem zu halten wie es ist.“ Aber es kam anders. Die Lehrpläne von Nordrhein- Westfalen (damals Brandenburgs Partnerland zum Aufbau der neuen Strukturen) wurden eingeführt. „Nichts durfte aus den DDR-Lehrplänen übernommen werden“, so Rosi Allenberg. Die resolute Zühlsdorferin ging nach der Abwicklung der Schule im Ort Anfang 1990 ebenfalls nach Mühlenbeck und unterrichtete als Biologielehrerin die 5. und 6. Klassen. Davor musste sie allerdings noch eine „Eignungsprüfung“ ablegen, erinnert sie sich. Ihre Unterrichtsführung wurde von Hospitan- ten bewertet, und das nach 25 Jahren im Schuldienst, erinnert sich Rosi Allenberg belustigt. Ihre Schüler hat sie geliebt. Es war eine sehr schöne Zeit, stellt sie immer wieder fest, denn sie ist mit ganzen Herzen Lehrerin gewesen. Diese Be- rufseinstellung fand sich nicht bei jeden wieder. Viele Lehrer kamen für zwei Jahre aus Berlin an die Mühlenbecker Schule und hatten doch recht unterschiedliche Auffassun- gen vom Beruf, berichtet sie rückblickend und ergänzt schmunzelnd: „Übrigens, da- mals, am 9. November, waren alle Lehrer da, nur nicht alle Schüler.“ Rosi Allenberg war in dieser Zeit auch in verschiedenen politischen Gremien aktiv und sogar Mitbegründerin der „Statt Partei“, gemeinsam mit den Zühlsdorfern Bernd Hetscher und Familie Lüders. Als Abgeordnete im örtli- chen Parlament in Zühlsdorf, anfangs noch für die Organi- sation Demokratischer Frau- enbund Deutschland, lenkte sie eine Zeit lang den kleinen Ort gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen durch die rastlosen Monate nach 1989. Stolz berichtet sie, dass sie die erste Wahlleiterin nach der Wende war, am 18. März 1990 fand die erste freie und zugleich letzte Wahl zur Volkskammer der DDR statt; am 6. Mai die Kommunalwahlen. Anfangs, so Allenbergs, hatten sie noch an eine Erneuerung des Staates DDR gedacht. Fassungslos waren sie darüber, wie sich das Nicht-Ändern-Wollen in der Staatsführung diametral manifestierte. Nicht zuletzt die populär geworden Sätze des Ex-Ministers für Staatssicherheit, Erich Mielke, vom 13. Novem- ber 1989 in der DDR Volkskammer ließen die Überzeugung reifen, dass so ein Staat nicht weiter existieren konnte. „Ich liebe doch ... ich liebe doch alle ... alle Menschen!“ Die Wende ´89, da sind sich Rosi und Wilfried Allenberg einig, nehmen sie bewusst noch immer wahr und sie schätzen sie nach all den Jahren umso mehr, da es ein Bruch war, der sich positiv entwickelte. Sie ganz persönlich empfinden damit auch mehr Freiheiten und Rechte. Die DDR möchten sie nicht zurück. Rosi und Wilfried Allenberg waren vor 30 Jahren als Leher tätig. Beide schauen gern zurück, sehen die Wende aber positiv und wollen die DDR nicht zurück! Es war ein schöner Moment! Text: Gudrun Engelke Foto: Gudrun Engelke

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