Mühlenspiegel 31

28 / 30 Jahre nach dem Mauerfall – wir trafen Reinhard Knaack Er war Oberhavels dienstältester Gemeindebrandmeister. Vier Amtszeiten und sechs Bürgermeister hat der Schildower Feuer- wehrmann „überstanden“. 2017 legte er sein Amt nieder und trat zurück ins zweite Glied. Als stellvertretender Gemeindebrandmeis- ter ist er auch weiterhin in unserer Feuerwehr aktiv. „Ich hatte eigentlich immer ein sehr geradliniges Leben“, erinnert sich Reinhard Knaak. Schulzeit in Schildow und Berlin, Lehre im Maschinenbau bei Bergmann-Borsig, danach Studium Kraftwerks- technik und Arbeit im damaligen Kombinat Kraftwerksanlagenbau in Berlin. Erst war er in der Projektierung, später im Bereich Techni- sche Sicherheit und Brandschutz tätig. Es folgte ein weiteres Studi- um an der TU Magdeburg zum Fachingenieur für Brandschutz. „Die Arbeit in einem so großen Unternehmen war unglaublich vielseitig und interessant und hat richtig Spaß gemacht. Politi- scher Druck war kaum spürbar. Es ging darum, Kraftwerke zu bauen.“ Neben Job und Familie engagierte er sich in der Freiwil- ligen Feuerwehr Schildow, seit 1978 auch als Löschzugführer. Der Tag, an dem die Mauer fiel, ist ihm noch gut in Erinnerung. Die politischen Ereignisse aller- dings standen für ihn damals nicht im Vordergrund. Gedank- lich und körperlich steckte er mitten im Umbau seines Hauses und arbeitete bis spät in die Nacht. Endlich, endlich hatte der Maurer zugesagt, am nächsten Tag zu kommen. Eine Verab- redung, auf die er lange hatte warten müssen. Erst am frühen Morgen des 10. Oktober 1989 erreichte ihn überraschend die Nachricht vom Fall der Mauer, als er das Radio einschaltete. Sein erster Gedanke: „Kommt der Maurer jetzt noch wie ver- sprochen? Oder geht er erst ein- mal rüber nach West-Berlin?“ Der Handwerker kam. Zum Glück. Erleichterung. „Die Sache mit dem Maurer war für uns erst einmal wich- tiger“, blickt Reinhard Knaak zurück. So eilig hatten er und seine Frau es nicht, in den Westen zu kommen. Sie vertrauten darauf: „Die Grenze wird auch in den nächsten Tagen noch offen sein.“ Und so war es. Etwas später dann sind auch sie zur ersten Erkundung rübergefahren. Beruflich änderte sich mit der Wende einiges für den Familien- vater. Künstlich geschaffene Strukturen entfielen schnell. Die Kernmannschaft und die Aufgaben im Kombinat aber blieben. „Wir wurden eine AG. Das wichtigste aber war: Wir hatten Arbeit und verdienten Geld.“ Mit dem zunehmenden Rückzug aus der Kernenergie allerdings stagnierte das Geschäft. Und als 1995 die Übernahme durch ein amerikanisches Unternehmen scheiterte, herrschte doch eine gewisse Ungewissheit. Genau zu diesem Zeitpunkt erfuhr der Schildower Feuerwehr- mann, dass der Landkreis Oberhavel die Stelle des vorbeugenden Brandschutzes neu besetzen musste. Gerade hatte er die Anpas- sung zum gehobenen Dienst bei der Berliner Feuerwehr absol- viert. Die Aussichten, die Stelle zu bekommen, waren günstig. Dann ging alles ganz schnell. Bewerbung, Personalgespräch und Einstellung. Wieder hatte er eine Aufgabe voller interessanter Neu- igkeiten und Begegnungen. Bis zu seinem Ruhestand 2018 war er als Beamter für den Landkreis unterwegs. Parallel dazu lief und läuft bis heute seine Arbeit in der Freiwilligen Feuerwehr, „was ja inhaltlich immer gut zusammenpasste.“ Technisch war die Feuerwehr zur Zeit der Wende recht gut ausgestat- tet. Die Gebäudesituation hingegen war dramatisch schlecht. Personell war es so, wie fast überall: Ein harter Kern von stets zuverlässigen Kameraden hielt alles am Leben, während viele Aktive nach und nach ausschieden. Im Sommer 1992 standen die Kameraden vor einer großen Her- ausforderung: Zwischen Birken- werder und Summt standen 150 Hektar Wald in Flammen. Es war der bisher größte Waldbrand in Brandenburg. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus und drohte außer Kontrolle zu geraten. Quasi pausenlos wurden Einsatzkräfte aus dem damaligen Kreis Oranienburg, aus Berlin und sogar Nordrhein- Westfalen nachgefordert. Auch Hub- schrauber und Flugzeuge waren im Einsatz, um den Großbrand zu bekämpfen. Eine weitere Brandaus- breitung konnte schließlich nach mehreren Tagen verhindert werden. Die Ortschaft Summt stand kurz vor der Evakuierung. „Was die Technik anbelangt, profitierten wir Anfang der 90er Jahre von der Reduzierung oder gar Auflösung etlicher Betriebsfeu- erwehren und auch der Nationalen Volksarmee“, berichtet Reinhard Knaak. Und auch personell ging es wieder voran. Die Kameraden, hervorragend ausgebildet – nicht zuletzt auch dank der neu einge- richteten Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt - stellten sich den immer höheren Anforderungen. Seit damals hat sich alles gut entwickelt. Mit der Gemeinde wuchs auch die Anzahl der aktiven Kameraden. „Die Zusammenführung der einzelnen Freiwilligen Feuerwehren im Zuge der Bildung des damaligen Amtes Schildow und später der Gemeinde Mühlenbe- cker Land kostete Kraft und Nervenstärke. Inzwischen läuft alles aber problemlos“, freut sich der ehemalige Gemeindebrandmeister. Das „Aufeinandertreffen von Ost und West“ hat Reinhard Knaak nie als problematisch empfunden. In seinem Umfeld jedenfalls sei man sich immer respektvoll begegnet. Selbst die Witze, die da- mals kursierten, sind ihm erspart geblieben, denn auch mit unter- schiedlichen Meinungen sei man immer vernünftig umgegangen. Ärgerlich seien bis heute zwar die immer noch ungleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen in Ost und West, findet der 65-Jährige, er selbst aber habe nie eine Situation von Arbeitslosigkeit oder Unsicherheit erlebt und dafür ist er dankbar. Reinhard Knaack lebt für die Feuerwehr. Der Schildower hat in den vergangenen Jahrzehnten als Gemeindebrand- meister so manchen Brand gelöscht. Die Zusammenführung der einzelnen Freiwil- ligen Feuerwehren kostete Kraft und Nervenstärke. Text: Birgit Rathmann � Foto: Fotogruppe SichtWeisen

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