Mühlenspiegel 30

das Jagdgesetz und dürfen nur auf Jagdflächen, nicht aber in Ortschaften geschossen werden. Lediglich in Aus- nahmefällen, wenn unmittelbare Gefah- ren drohen, kommen Jäger mit spezieller Schulung zum Einsatz.“ War der Abschuss allen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich, decken die Jäger mit dem Verkauf von Wildfleisch einen Teil ihrer Unkosten. Aber zum Ärger von Thorsten Fanselow ist es schwierig, beim Händler einen angemessenen Preis zu erhalten. Er selbst wertschätzt Wild- fleisch als eines der gesündesten Lebens- mittel – 100 Prozent Bio, klimaneutral, frei von Antibiotika und aus artgerechter Haltung. Trotzdem seien die Preise im Wildschweine laut Thorsten Fanselow lediglich zeitweise in ruhigere Wald- gebiete ausweichen. Sinnvoller sei es, öfter revierübergreifende Treibjagden zu veranstalten. „Das ist allerdings mit einem Mehraufwand an Planung und Vorbereitung verbunden, weil viele verschiedene Partner zusammenwirken müssten.“ Neben dem Kreisjagdverband sind das im Mühlenbecker Land die Jagd-Pachtgenossenschaften Schönfließ- Bergfelde/Schildow sowie Mühlenbeck und Zühlsdorf. Sie agieren auf den be- jagbaren Flächen privater Grundeigen- tümer. Auf den landeseigenen Flächen um die Ortschaften haben die Jäger des Landesforstamtes das Sagen. Beim Jagen selbst heißt „gesehen“ nicht automatisch „geschossen“. Obwohl das Schwarzwild wegen der ASP-Gefahr ganzjährig bejagt werden kann, gilt eine mehrmonatige Schonzeit für Bachen, die Frischlinge säugen, und für Leitbachen, die das Sozialgefüge einer Rotte stabil halten. Vor dem unmittelbaren Schuss beim Ansitz muss deshalb das ins Visier genommene Wildtier aufmerksam be- obachtet, nach Jägersprache „angespro- chen“ werden. Auch von den Wetter- und Lichtverhältnissen, Bodennebel oder Re- gen hängt eine erfolgreiche Jagd hängt ab. Glücklos bleibt der Jäger, wenn die Tiere ihre Wege bei der Nahrungssuche plötzlich wechseln. Und tauchen abends dann auch noch Spaziergänger, Hunde, Reiter, Mountainbiker oder Motorradfah- rer in Wald und Flur auf, lässt sich kein Wildschwein sehen – daher die immer wieder an die Bürger gerichtete Bitte der Jäger, das dämmerungs- und nachtaktive Schwarzwild nicht zu verscheuchen und den abendlichen Spaziergang besser innerhalb der Ortschaft zu machen. Schließlich räumt Thorsten Fanselow noch mit einer Legende auf, die sich bei den Anwohnern hartnäckig hält: Es geht um die angeblich so leicht zu erlegenden Wildschweine, die sich in Waldnähe hinter Gärten tummeln. „Als freilebende herrenlose Tiere fallen Wildtiere unter I mmer wieder greift die Tagespresse ein Thema auf, das auch im Mühlen- becker Land die Gemüter bewegt: Die Rede ist von der sogenannten „Wildschweinplage“. Vermehrt zögen die Schwarzkittel ihre zerstörerische Spur durch Gärten, sorgten für Beunruhigun- gen, wenn sie in Siedlungen und Wohn- gebieten auf Nahrungssuche unterwegs sind. Trotz Bejagung sinke der Tierbe- stand offenbar nicht wesentlich. Das Gegenteil scheint der Fall. „Die Population bei Schwarzwild nimmt tatsächlich ständig zu – und das trotz höherer Abschüsse“, bestätigt Thorsten Fanselow, Vorsitzender des Kreisjagdver- bandes Oberhavel e.V. „Schon jetzt haben wir in dieser Jagdsaison über 5.000 Sauen erlegt, weit mehr als in der vorjäh- rigen Saison, und die Hauptjagdzeit läuft noch bis Ende März.“ Die veränderten Naturbedingungen wie milde Winter, in denen auch schwache Jungtiere überle- ben können, seien nur eine der Ursachen für die hohe Vermehrungsrate der Wild- schweine, so der Jäger und erläutert: „Die landwirtschaftliche Anbauweise mit Monokultur ist ein anderer wesentlicher Faktor. Überall wird Mais angebaut, eine wahre Speisekammer für Schwarzkit- tel, die im Maisfeld nicht nur fressen, sondern dort sogar leben. So bestens versorgt, bringen es die Bachen auf drei Würfe Frischlinge im Jahr.“ Der große Bestand an Schwarzkitteln verursacht auch größere Wildschä- den auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, z.B. Ernteeinbußen bei Getreide und Mais, Wühlgruben auf dem Feld. Dafür müssen der Jagdverband bzw. die Jagdpächter Entschädigungen an die Landwirte leisten. In der Jagdsaison 2016/17 beispielsweise summierte sich der Schaden durch Aufbrechen des Grünlandes im Landkreis Oberhavel auf 44.000 Euro. Und ein weiteres Problem setzt die Jäger unter Druck: Die Afrikanische Schweine- pest ist Deutschland inzwischen bedroh- lich nahegerückt. Um das Ansteckungsri- siko unter den Wildschweinpopulationen zu verringern und die Gefahr der Seuchenübertragung auf Hausschweine zu vermindern, sind ebenfalls dezimierte Wildschweinbestände angezeigt. Einfach mehr Schwarzwild schießen? Eine leichte Antwort auf die Frage, wie die Bestände zu reduzieren sind, gibt es offensichtlich nicht. Bei vielen Bür- gern herrscht die Meinung vor, dass die Waidmänner einfach nur öfter auf Pirsch gehen sollten. Doch würden bei höhe- rem Jagddruck die anpassungsfähigen Einfach mehr Schwarzwild schießen? Wildschweine im Vorgarten / 19 Wildschweinrudel beim “Spazieren gehen” mitten in der Siedlung

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