Mühlenspiegel 29
wird. Den wenigsten der verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebe bleibt am Ende des Tages das Lebensnotwendige. Die meisten müssen sich eine Anstel- lung suchen. Der Vater arbeitet im Wald, Anni Schwengber selbst zwei Jahre lang als kaufmännische Angestellte in einem Baubetrieb. Dann bekommt sie ihr erstes Kind, bald ihr zweites. Sechs Jahre bleibt sie zu Hause. In der zweiten Ehe bringt sie ein weiteres Kind zur Welt. Anni Schwengbers zweiter Sohn betreibt zu DDR-Zeiten (außerhalb Zühlsdorfs) HO- bzw. Konsum-Gaststätten (hier arbeitet sie auch mit), bevor er nach der Wende das Restaurant „Zum gemütlichen Waldhasen“ eröffnet. Gefragt nach Einkaufsmöglichkeiten kommt sie ins Schwärmen: „Allein neun Lebensmittelgeschäfte waren in Zühlsdorf ansässig, auch ein Schlächter, drei Bäcker und eine Drogerie, später ein Textilhandel.“ Mit der Wende und der massiven Ansie- delung des Einzelhandels in Wandlitz und Basdorf bricht das alles Stück für Stück weg. Seit vielen Jahren schon nutzt sie, die inzwischen auf Hilfe angewiesen ist, den DRK-Bus. Früher einmal die Woche, heute deutlich seltener. „Schade, für mich ist das die Chance, ohne die Kinder oder auch die Nachbarn fragen zu müssen, ein Teil meines Lebens zu organisieren.“ Bei der Verabschiedung stellen wir beide fest, dass uns das Gespräch gut getan hat. Anni Schwengber konnte ihre Geschichte erzählen – und ich weiß nun ein Stück mehr über mein Heimatdorf. Steinbock 1/2h Anni Schwengber (re) mit ihrer Schwester Gertrud in der 1. Klasse NEUE SERIE ZEITZEUGEN Text: Jürgen Nass Foto: Fotogruppe SichtWeisen, privat
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NzY5NzY=