Mühlenspiegel 27

KOLUMNENTITEL KIRCHENGEMEINDE Lesen ist wie Reisen AKTIVITÄTEN SENIOREN 38 M it Deutschlands größtem Vorle- sefest hatte es begonnen: Kathrin Ewalds Arbeitgeber unterstützte 2018 die Initiativen zum Bundesweiten Vorlesetag, indem er seinen Angestellten die Möglichkeit einräumte, eine Stunde Arbeitszeit in einer Senioreneinrichtung zu verbringen, um älteren Menschen vor- zulesen. „Für mich war es sinnvoll, mich dort zu engagieren, wo ich seit fast 20 Jah- ren zuhause bin – in Schildow.“ Und so bekamen die Seniorinnen und Senioren in der Tagespflegeeinrichtung EuVita 24 plötzlich Besuch von einer sympathischen, lebenslustigen Frau, die ihnen Geschichten erzählte. Aus diesem erstmaligen Besuch im vorigen Jahr ist längst ein fester Termin geworden, auf den sich beide Seiten freuen. Für die 45-Jährige war selbst ihr Wohnungsumzug kürzlich kein Hin- derungsgrund, die Mai-Lesestunde ins Wasser fallen zu lassen. Warum für sie das ehrenamtliche Engagement wichtig ist, vermittelt sie einfach und überzeugend: „Das Beisammensein mit den älteren Leu- ten ist bewegend, macht mir viel Freude und fühlt sich gut und richtig an.“ Und solch ein Engagement wird gebraucht, wie Frau Ewald als Angestellte einer Betriebs- krankenkasse sehr genau weiß. Ihr sind die Probleme in vielen Pflegeeinrichtun- gen bekannt, wo aufgrund des Fachkräf- temangels und der Leistungsabrechnung wenig Zeit bleibt für Nähe und individuel- le Zuwendung. Notstand ist gerade in der Altenpflege ein bundesweites Thema. Lesen und Lachen Einmal im Monat trifft sich die ca. zehn Personen umfassende Zuhörerschaft nach der Mittagsruhe ausgeruht und aufge- schlossen in der blau-weißen, modernen Wohnküche des Hauses. Jede Lesestun- de bereitet Kathrin Ewald mit Bedacht vor. Passend zum Frühling gab sie jetzt thematisch der Heiterkeit den Vorrang. Eigentlich handelt es sich schon um kleine Programme, denn die ausgewählten Kurz- geschichten wechseln mit Liedern und Ge- dichten, ausgedruckte Tierbilder können reihum betrachtet und weitergereicht wer- den; Bewegungsspiele lockern den Körper, Ratespiele fordern das Gehirn. Wenn z. B. bis zur letzten Strophe des Liedes „Die Vogelhochzeit“ mitgesungen wird, ist Ka- thrin Ewald immer wieder überrascht vom Langzeitgedächtnis der bejahrten Zuhö- rerinnen und Zuhörer. Und dass mitunter ein Lied genügt, damit selbst verschlossene Ältere aus sich herausgehen. Der Umgang miteinander ist freund- lich, vertraut und entspannt. Es wird oft gelacht. „Eine Atmosphäre zum Wohlfüh- len“, findet Kathrin Ewald. Die Pflegerin- nen haben zur alltäglichen Kaffeetafel-Zeit einladend den Tisch für den Zuhörerkreis gedeckt. Sie freuen sich ebenfalls auf die willkommene Stunde mit ihrer Vorleserin und bestärken und loben mit positivem Feedback. Ihre Hinweise haben Kathrin Ewald auch geholfen, die Befindlichkeiten der älteren Menschen zu verstehen und sich auf die Besonderheiten im Umgang mit ihnen einzustellen. Die Konzentra- tionsfähigkeit lässt natürlich generell im Alter nach, manche Hochbetagte sind noch geistig fit, andere, selbst jüngere Senioren dagegen kognitiv stark einge- schränkt. Eine anregende Lesestunde für alle erfordert somit einige Überlegung. Zu dieser Thematik recherchiert sie immer wieder mal im Internet. Kurzkrimis für Senioren Kathrin Ewald mag Lesen und Bücher. Derzeit liest sie Anna Seghers Roman Lesestunde für Senioren mit Kathrin Ewald aus Schildow

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