Mühlenspiegel 26
LEBENSKUNST GLÜCK R eichlich fünf Jah- re ist es her, seit sich zwei Frauen – die Schildower Kate- chetin Ute Furkert und die frisch im Ruhestand befindliche Kunst- und Kulturpädagogin Prof. Angelika Pleger – Ge- danken über eine neue Schildower Veranstal- tungsreihe machten. Die Abende sollten etwas Besonderes sein, weder Workshop noch Vortrag, die Kreativität sollten sie fördern, der Phantasie Flügel verlei- hen und alle Sinne an- sprechen. Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Machen lautete die Devise. Eine Provokation war schon der Titel, entlehnt einem Zitat des Dramatikers Ödön von Horváth: „Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu!“ Ausgangspunkt würde das Evangelische Gemeindehaus sein, aber eingeladen wären von Anfang an alle, unabhängig von ihrer Religion und Weltanschau- ung, die sich darauf einlassen wollten. Im April ging es dann los mit einem besinnlichen Passionszeit- Abend, in dem wir in kleinerer Gruppe Mandalas gestalteten und sich alle von einemmit Alltags-Utensilien belegten Tisch einen Ge- genstand auswählen und den Grund dafür nennen sollten. „Die Ta- schenlampe spendet Licht“, sagte eine „Licht ist wichtig“. „Der Na- gel“ - meinte eine andere - „mit dem kann man etwas befestigen.“ Anfangs trafen wir uns – außer der Sommerpause – monatlich, ab dem zweiten Jahr jeden zweiten Monat, ohne dass die Intensität nachließ. Denn je- desmal überraschte uns Angelika Pleger mit einem anderen Thema und neuen Aufgaben. So haben wir mit selbstgemachten Natur- farben gemalt, haben, jede und jeder nach eigenem Empfinden, Halbsätze vollendet, in einem Fall wurde daraus eine Liebeserklä- rung an den (langjährigen) Ehemann. Nach eingespieltem Fragment „Frühling“ aus Vi- valdis „Vier Jahreszeiten“ ließen wir uns die Zeichen-Hand führen, um danach die mit Farbstiften vervollständigten Kreationen reihum von allen Teil- nehmern betiteln zu lassen. Die wohl originellste und zutreffende Überschrift (einer Ärztin) lautete da „Frühlings-EKG“. Ein Abend hieß: „Auch Erwachsene brauchen Märchen“. Und unter demMotto „Lesen Sie den Beipack- zettel“ gaben Arzt und Apothekerin ernste aber auch humorige Ratschläge. In der Adventszeit wurden Lichttüten gestaltet, auch Krippenfiguren aus Sä- gemehl-Masse geformt. Und gute Vorsätze, auf- geschrieben zu einem Jahresende, fügten sich wie von selbst zu einem vielstimmigen Gedicht. Übrigens: mit einem Gedicht oder Zitat be- ginnt und schließt auch jede Begegnung, und in der Mitte des zwei- teiligen Abends gibt es zum „Schmecken“ eine kleine Stärkung: ein besonderes Brot, selbstgemachte Aufstri- che, erfrischenden Saft oder wärmenden Tee; auch darin darf jeder Kreativität beweisen. Inzwischen haben wir schon 33 mal miteinander das „Anderssein“ geübt, nur selten in einstelliger Teilnehmerzahl. Ohnehin sind aber Abende dieser Art mehr aufs „Kammerspiel“ als auf eine Großveranstaltung einge- stellt. Nicht verwunderlich war die starke Frequenz bei „Humor im Alltag“, wie er sich, z. B. in der Werbung, oft unfreiwillig darstellt. Überrascht hat aber, dass Themen wie „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ und „Zwischen Friedhof und Friedwald“ die meis- ten Interessenten anzogen. Und als uns Angelika Pleger einmal die Aufgabe stellte, aus Wortschnipseln von Werken bekannter Lyri- ker etwas Eigenes zu schaffen, entstanden im Nu mehr als 20 zau- berhafte Frühlings- und Liebesgedichte. Nicht alle Veranstaltungen fanden im Evangelischen Gemein- dehaus statt. Zweimal waren wir in Birgit Vogts „Labyrinth des Lebens“ in der Kastanienallee zum Schauen, Riechen und Schmecken, was sich aus (Un) Kräutern so alles zubereiten lässt. Wir ha- ben uns im Garten der Schildower Künst- lerin Maria Ilona Poppendieck nicht nur im Schöpfen von Papier, sondern auch in Wortschöpfungen geübt. Der nächste, aber längst nicht letzte Abend heißt „Lebendi- ges Wasser“ und lädt am 14. Juni in unsere Mönchmühle ein. Mit engem Bezug auf die am 1. Mai dort von Angelika Pleger eröffnete Kunstausstellung „Wasser Wege“. Denn auch an dieser historischen Stätte betreut die vielfältig in unserer Orts- und Kirchengemeinde ehrenamtlich wirkende Kunstpädagogin im Rahmen der 2014 begründeten „Mühlengalerie“ während jeder Saison eine Ausstellung. Der Phantasie Flügel verleihen Prof. Angelika Pleger und ihre „eigentlich ganz anderen“ Abende Text: Sigrid Moser Fotos: Fotogruppe SichtWeisen 13 Mit selbst aus Kräutern und Früchten hergestellten Naturfarben gemalt. Das Bild riecht nach Himbeere
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