Mühlenspiegel 26

SCHULPROJEKT BILDUNG 11 Text: Birgit Rathmann Fotos: Fotogruppe SichtWeisen Ganz anders eine Keramikflie- se: Hier verändern sich die Far- ben, wenn die Fliese gebrannt wird. Dann endlich ist es soweit, die Kinder dürfen selbst zu Pin- sel und Farbe greifen. „Wir ver- setzen uns in die Zeit Leonardo da Vincis. Ihr seid heute Erfin- der und Gestalter wie vor 500 Jahren“, fordert Annett Schauß die Schüler auf, sich an ihrem mitgebrachten „Künstlerbe- darf“ zu bedienen. Allerdings, bevor es richtig losgehen kann, müssen die Far- ben angefertigt werden. Denn: Vor 500 Jahren gab es keine fertigen Farben zu kaufen! „Farbe ist ein Naturprodukt“, erklärt die Projektleiterin und hält einen weichen, rot schim- mernden Stein hoch. „Sie wird gewonnen aus der Erde. Der Stein wird abgebaut und in der Farbenmühle zu Pulver gemah- len.“ Eine breite Palette an Farb- pigmenten, abgefüllt in kleine Becher, hat die Malerin mitge- bracht. Doch erst in Verbin- dung mit einem Bindemittel wird aus dem Pulver Farbe. Dazu stehen Eigelb für das Her- stellen von Ölfarben, Zellleim für das Mischen von Leimfar- ben und Wasser für die Acryl- farbenproduktion bereit. „Auf der Leinwand“, rät Annett Schauß, „könnt ihr mit Kreide vorarbeiten, bevor ihr die Farbe mit dem Pinsel auf- tragt“. Auf die bereits einseitig mit dunkler Farbe angestrichenen Glasscheiben hingegen wird das Bild mit einem Stäbchen eingeritzt. Anschließend kann es von der anderen Seite mit Farbe unterlegt werden. Ein toller Effekt! Unübertroffen und bei den jungen Künstlern überaus beliebt: Rauschgold. Angerührt mit Eigelb, wird es mit einem Schwämmchen vor- sichtig aufgetragen und verleiht dem Kunstwerk wahrlich gül- denen Glanz! Etwas ganz Besonderes sind die noch ungebrannten Kera- mikfliesen. Versehen mit einer schwarzen Glasurschicht wer- den sie mit einer Feder bearbei- tet. Wie bei der Glasplatte wird die Zeichnung durch Abtragen der oberen Schicht herausge- arbeitet. Darunter kommt eine weiße Schicht zum Vorschein. Allerdings: hier ist Geduld ge- fragt. Denn ihr „wahres Ge- sicht“ zeigt die Fliese erst nach dem Brand in der Werkstatt der Projektleiterin. Im Brennofen wird sich die schwarze, noch matte Schicht später in glän- zendes Schwarz verwandeln. Es entstehen die tollsten Kunstwerke. Als Vorlage die- nen den jungen Erfindern ne- ben Zeichnungen und Skizzen von Leonardo da Vinci auch Bilder aus dem Netz (Handys sind erlaubt), das Logo einer Lieblingsmarke oder eben die eigene Fantasie. Lochschablonen dienen als Hilfsmittel und Musik (über Kopfhörer darf auch die per- sönliche Playlist gespielt wer- den) als Inspiration. Annett Schauß jedenfalls ist begeistert. Sie hilft beim Mi- schen der Farben, gibt Tipps und spart nicht mit Lob. Musste sie zu Anfang der Stun- de den einen oder anderen Teenager noch zu Ruhe und Ordnung aufrufen, sind jetzt alle Kids voll und ganz dabei. „Damit kriegt man sie alle“, freut sich die Mühlenbeckerin, „manchmal kommen mir die Tränen.“ „Frau Schauß, ich bin fer- tig“, präsentiert stolz ein Junge sein Bildnis. „Ich mache kein Gold!“, betont er mit Blick auf die bei seinen Mitschülern stark gefragte Farbe. „Ich dan- ke dir für diese Entscheidung!“, so die prompte Antwort. „Ich möchte auch eines so (ohne Gold) haben.“ Die kleinen quadratischen Kunstwerke übrigens wird die Künstlerin später einscannen. Als Ergebnis entsteht ein Me- mory-Spiel. Denn „mit Kunst die Erinnerungskultur erleben; Erinnerungen gestalten“ ist das Hauptthema des Kunstprojek- tes in diesem Jubiläumsjahr 2019, in dem wir unter anderem an den 500. Todestag Leonardo da Vincis erinnern. Deshalb wird die Rückseite der auf ein einheitliches Maß gebrachten Memory-Kärtchen den Schriftzug „Leonardo da Vinci“ tragen. Dazu signieren die Schüler ihre Kunstwerke mit dem Namen des berühm- ten Malers, dessen Unterschrift im Übrigen nie einheitlich war. Die Signaturen der Kinder werden später das Memory- Spiel zieren. Auf verschiedenen Anstrichmaterialien wie Glas, Leinwand, Pappe oder Keramik entstehen ganz unterschiedliche Kunstwerke

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