Mühlenspiegel 25

Pfarrer Bernhard Hasse Evangelische Gemeinde Mühlenbeck/Schildow Pfarrer Albrecht Preisler Evangelische Gemeinde Zühlsdorf Pfarrer Thomas Treutler Katholische Gemeinde Schildow Pfarrer Werner Rohrer Evangelische Gemeinde Bergfelde-Schönfließ Bernhard Hasse Albrecht Preisler Thomas Treutler Werner Rohrer Es gibt die Weihnachtsgeschichte – „ In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl... ” – das Original, wenn Sie so wollen; und es gibt eine ganze Reihe von Weihnachtsgeschichten, die im Laufe der Zeit dazugekommen sind. Je nachdem, wen sie fragen, sind manche davon sogar noch bekannter als das Lukasevange- lium, ich denke da zum Beispiel an Charles Dickens' mehrfach verfilmte Weihnachtsgeschichte, in der ein alter Geizhals Besuch von den Geistern der Weihnacht bekommt und am Ende sein ganzes Leben ändert. Aber auch an O. Henrys Geschichte „ Die Geschenke der Weisen ” kommt man in der Weihnachtszeit kaum vorbei. Bestimmt haben Sie auch schon manche Jahre von den zwei jungen Eheleuten gehört, die sehr verliebt, aber auch sehr arm sind, so dass sie nur unter großen persönlichen Opfern füreinander Geschenke besorgen können. Vielleicht kennen Sie aus dem Deutschunterricht auch noch „ Die drei dunklen Könige ” von Wolfgang Borchert: Drei Kriegsversehrte, wahrscheinlich obdachlos, bringen einer ebenso armen jungen Familie die einzi- gen Gaben, die sie schenken kön- nen: etwas Tabak für den Vater, ein selbstgeschnitzter Holzesel für das Kind, zwei Bonbons für die Mutter. Oder Sie kennen aus Kin- dertagen noch Erich Kästners Klassiker »Das fliegende Klassen- zimmer«, wo eine Bande von Internatsschülern zusammen durch Dick und Dünn geht, auch der spielt in der Zeit um Weih- nachten. Als Pessimist könnte man jetzt sagen: Damit ging die Beliebigkeit im Grunde schon los und heute ist Weihnachten völlig kommerzialisiert und popula- risiert! Das hat doch mit Jesus alles nichts mehr zu tun! Man kann es aber auch anders sehen. Vielleicht ist Weihnachten ja tat- sächlich größer als wir meinen? Wenn das ewige Wort vergängliches Fleisch wird, wie der Evangelist Johannes es beschreibt, dann bleibt es nicht dasselbe, sondern es erscheint in den Gestalten der Welt. Bestimmt könnte man auch eine ganze Reihe von jahreszeitli- chen Phänomenen nennen, die nun wirklich nichts mehr zu tun haben mit dem christlichen Weihnachtsgedanken. Spätestens beim Coca-Cola-Truck, dem Billigflieger auf die Ferieninsel und der Katerstimmung nach zu viel Glühwein ist nun wirklich nichts mehr von der Frohen Botschaft des Neuen Testaments übrig. Aber zumindest bei den Geschichten, die ich anfangs nannte, ist es anders. Und das deutlichste Merkmal dafür ist: In diesen Geschichten kommt die Armut vor. Denn zu Weihnachten gehört beides: der himmlische Chor der Engel und die Armut zweier Eltern, für die in der Herberge kein Platz ist; das Kind, das die Welt erlösen soll und dem Weise aus dem Morgenland huldi- gen, ist dasselbe Kind, das nur einen Futtertrog als Bett hat. Dass diese äußerste Armut eine Hauptrolle spielt, macht auch die modernen Erzählungen zu echten Weihnachtgeschichten: die Armut rund um den Geldverlei- her Scrooge, die beiden Eheleute, die ihren kostbarsten Besitz versetzen, das Elend in Borcherts Nachkriegsdeutschland und bei Erich Kästner der Internats- schüler, der kein Geld hat, um zu Weihnachten nach Hause zur Familie fahren zu können. Auch wir Christen würden Weihnachten in der Tat falsch verstehen, wenn wir es jenseits aller Armut feiern. Denn in seiner Weihnachtsgeschichte erinnert uns Gott von Anfang an daran, warum die Welt einen Erlöser braucht. Jesus erinnert uns vom ersten Augenblick seiner Geburt an daran, dass unsere Welt weit entfernt davon ist, heil und gut zu sein. Und trotzdem zeigt er uns, dass die Welt sehr wohl etwas heller und froher werden kann, wenn wir zunächst die Armut miteinander und mit ihm teilen. Denn wenn wir beginnen, unsere Armut miteinander zu teilen, das was uns fehlt und was uns bedrückt, dann können wir nach und nach auch unseren Reichtum teilen – mit Gott und miteinander. Weihnachtsgeschichten Eine besinnliche Botschaft zum Fest der Liebe WEIHNACHTEN BOTSCHAFT 9

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