Mühlenspiegel 24
22 Zeitzeuge Dieser Brunnen-Nachbau erinnert an Mühlenbeck im 17. Jahrhundert E s war der Sommer im Jahr 2006, als sich die Men- schen in Mühlenbeck vom „Schwarzen Adler“, einer Gast- stätte mit angeschlossenem Saal, endgültig verabschieden mussten. Ein Stück Ortsge- schichte wich dem ALDI- Markt. Weil es sich bei dem Gebiet um eine Bodendenkmalver- dachtsfläche handelte, mussten archäologische Untersuchun- gen erfolgen. Während der Ausgrabun- gen wurden sechs unterschied- liche Brunnen aus dem 13. bis 20. Jahrhundert gefunden. Der älteste stammte aus dem Jahr 1233, der etwas jüngere aus dem Jahr 1268. Damit konn- te die Existenz Mühlenbecks schon lange vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung im Landbuch Kaiser Karls IV. aus dem Jahr 1375 nachgewiesen werden. Die Erkenntnisse der Ausgrabungen ließen, laut des mit den Untersuchungen be- auftragten Archäologen Tho- mas Hauptmann aus Bergfelde, den Schluss zu, „dass an dieser Stelle über mehrere Jahrhun- derte hinweg Gastwirtschaft betrieben wurde“, also auch schon lange vor dem „Schwar- zen Adler“. Teilweise fanden die Aus- grabungen direkt unter dem Standort des ehemaligen Tanz- saales des alten Adlers statt. Die Menschen sind also zu Zeiten des „Schwarzen Adler“ quasi über die Brunnen getanzt, aus denen Jahrhunderte vorher Wasser zum Bierbrauen ge- schöpft wurde. Sogar Kurioses kam bei den Grabungen zum Vorschein, wie zum Beispiel ein ausgebrannter Brunnen. Als unwissender Laie kann man darüber schon ins Grübeln kommen … Thomas Hauptmann klärte auf: Es han- delte sich um einen Holzkas- tenbrunnen, dessen oberer Teil bei einem Brand zerstört wor- den war. Zu jener Zeit wurde auf offenem Feuer gekocht, die Dächer der Lehmhäuser waren mit Stroh gedeckt, somit waren Brände keine Seltenheit. Gefunden haben die Ar- chäologen auch das Skelett eines jungen Pferdes, welches im Hof eines Bauernhauses sei- ne letzte Ruhestätte fand und nicht einmal Schaden nahm, als vor einigen Jahrzehnten an dieser Stelle ein Abflussrohr aus Ton verlegt wurde. Für die Archäologen wur- de mit jedem Spatenstich ein Stück Zeitge- schichte leben- dig. So fanden sie eine Vor- ratsgrube aus der Bronzezeit. Durch Kera- mi k f ragmen- te konnte die Grube dieser Epoche zuge- ordnet werden. Es befand sich noch verkohltes Getreide in ihr. Die zu- ständigen Ar- chäologen stießen auch auf 60 Zentimeter bis ein Meter starke „humose Sedimente“, die ver- einzelt Material aus dem 13./14. Jahrhundert enthielten. Da das auf eine vorrangige Nut- zung des Gebietes als Garten und Weideland schließen ließ, konnte der Archäologe Baufun- de weitestgehend ausschließen. Alle Funde wurden doku- mentiert und dem Branden- burgischen Landesamt für Denkmalpf le- ge übergeben. Auch das Pfer- deskelett ge- hört jetzt zum dortigen Fun- dus. Dort, wo sich heute der aldi befindet und dem- nächst der neue aldi ent- steht, war für die Bewohner von Mühlen- beck schon immer ein Mit telpunk t. Alte Wege kreuzten sich hier und bildeten so das Zentrum von Mühlenbeck. Der alte Dorfbrunnen war vor über 300 Jahren Treffpunkt und wichti- ger Bestandteil des dörflichen Lebens. Das war für die Orts- vorsteherin Anita Warmbrunn Grund genug, sich für eine Rekonstruktion eines histori- schen Brunnens im Ortskern einzusetzen. Auch der Archäologe war von der Idee angetan, einen al- ten Steinbrunnen nachzubau- en. So taten sich aldi sowie die Firma Winkler & Partner als Bauträger zusammen und sorg- ten für die Nachbildung des Brunnens. Jedoch nicht ohne sich der Unterstützung der Gemeindeverwaltung zu versi- chern, die seitdem für Wartung und Instandsetzung verant- wortlich ist. Den Auftrag für die Errich- tung des Nachbaus eines ehe- maligen Feldsteinbrunnens erhielten die ortsansässigen Handwerker Matthias Tiedt, der den Brunnen mauerte, und Bernd Evers, der das Dach- konstrukt zimmerte. Bei den verwendeten Steinen handelt es sich um originale Feldsteine aus der Birkenwerder Straße in Mühlenbeck. Mit dem beginnenden Bau des aldi und des Parkplatzes im Jahr 2006 war die Reise in die Vergangenheit an dieser Stelle vorüber. Ein spannendes Stück Mühlenbecker Geschichte ver- schwand. Der alte Steinbrun- nen jedoch hält die Erinnerung an die Vergangenheit wach. Eine Infotafel versorgt Interes- sierte mit den wichtigsten In- formationen. Im Zuge von Abriss und Neubau des in die Jahre gekom- menen Discounters bekommt auch der rekonstruierte Stein- brunnen einen neuen Platz. Ne- ben der uralten Eiche wird er sein. Wie passend. Dieser Feldsteinbrunnen wurde 2006 beim Bau des aldi-Marktes freigelegt Text: Katrin Kussat Fotos: Fotogruppe SichtWeisen, Robert Roeske (MAZ) CHRONIK DORFBRUNNEN
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