Mühlenspiegel 23

10 CHRONIK STRASSENNAMEN D er Berliner Stadtsynode ist von dem Gemeinde- Kirchenrat in Mühlen- beck ein 261 Morgen 1 großes Terrain und von mehreren Landeigentümern ein damit zusammenhängendes Ge- lände von 250 Morgen Größe in der Gemarkung Mühlenbeck zur Anlage eines Kirchhofes angeboten worden. Diese Landfläche stößt im Norden an die Gemarkung Summt, im Osten an den Fließgraben, im Süden an die Grundstücke des Ziegeleibesitzers Arndt und des Kossäten-Gutsbesit- zers 2 Karl Grothe und imWesten an das Grundstück des Herrn Ostwald, welches sich in einer Breite von 60 m längs der Chaussee von Mühlenbeck nach Summt bis zur Summter Ge- markungsgrenze ersteckt. M it diesen Worten beginnt ein Gutachten, verfasst am 1. No- vember 1906, über den Erwerb eines Geländes zur Anlage ei- nes großen Kirchhofes im Nor- den von Berlin. Wozu wurde so ein riesiges Gelände für einen Friedhof benötigt? Der schwarze Tod, die Pest, hatte zuletzt im 18. Jahrhun- dert in Berlin und Umgebung gewütet, und die letzte große Cholera-Epidemie war bereits seit mehr als 70 Jahren über- wunden! Der tatsächliche Grund lag in einer Bevölkerungsexplosi- on. Um 1900 hatte Berlin schon den Rang einer "Weltstadt" er- reicht. Die Bevölkerung hatte sich in Berlin aufgrund der Industrialisierung innerhalb von 50 Jahren mehr als ver- dreifacht. Zählte die Stadt 1849 noch 412.000 Einwohner, so waren es um 1900 schon mehr als 1,6 Millionen Einwohner. Der Strom der Zuwanderer führte in Berlin darum nicht nur zu einer räumlichen Aus- dehnung in Form neuer Wohn- gebiete, sondern auch zu einer immer dichteren Bebauung der vorhandenen Stadtteile. Dies wiederum führte zu einer Verknappung der verfüg- baren Begräbnisplätze, so dass sich die Berliner Stadtsynode 3 schon Ende des 19. Jahrhun- derts um den Erwerb geeig- neter Ländereien im Berliner Umland bemühte. Als Ergeb- nis dieser Überlegungen zum Bau mehrerer großer, ausbau- fähiger Friedhöfe im Berliner Umland erwarb die Berliner Stadtsynode drei große Grund- stücke außerhalb der Stadt, und zwar für den Südwestkirchhof in Stahnsdorf, den Ostkirchhof in Ahrensfelde sowie für den Nordkirchhof in Mühlenbeck. Zur Anlage des Nordkirch- hofes in Mühlenbeck ließ die Synode in den folgenden Jah- ren Bodenverbesserungsar- beiten durchführen. In dieser Zeit wurde auch das heute noch stehende Backsteingebäude in der Straße „Am Jägerhof “ als Verwaltungsgebäude für den Kirchhof errichtet. DiePlanungen fürdenMüh- lenbecker Nordkirchhof“sahen darüber hinaus eine großzügige Wegeführung unter Einbezie- hung vorhandener Wasserläufe, den Wiesen- und Waldflächen und des Seeufers des Mühlen- becker Sees vor. Auch wurden bereits Verhandlungen für den Bau eines Anschlussgleises – für eine bessere Anbindung von Berlin – geführt und die Planungen hierzu beauftragt. Die Gestaltung des Mühlenbe- cker Nordkirchhofs wurde dem staatl. Diplom-Gartenbauins- pektor Louis Meyer (1877-1955) übertragen, der unter Einbezie- hung des ursprünglichen Land- schaftsbildes eine Anlage nach dem Vorbild Peter Joseph Len- nés 4 plante. 1911 wurden die Erschlie- ßungsarbeiten aus wirtschaftli- chen Grunden, auch durch den hohen Grundwasserstand, der trotz verschiedener technischer Maßnahmen langfristig nicht gesenkt werden konnte, been- det. Außerdem musste der Be- darf an Friedhofsfläche immer weiter nach unten korrigiert werden. Bedingt durch die in- zwischen steigende Zahl von Feuerbestattungen sowie der Freigabe des ursprünglichen Bucher Anstaltsfriedhofes an der Schwanebecker Chaus- see als Städtischer Friedhof für allgemeine Bestattungen wurde der Bedarf noch weiter nach unten korrigiert, wodurch der wirtschaftliche Erfolg des Mühlenbecker Nordkirchhofes in Frage gestellt wurde. Daher beschloss der Berli- ner Synodalverband zunächst eine eigene land- und forstwirt- schaftliche Nutzung des Areals. 1932 wurde das Gut dann an den Unternehmer Oswald P. aus Berlin-Reinickendorf – ein Textilien- und Saisonartikel- Händler sowie Initiator pri- vater Berliner Wochenmärkte (in Moabit 1908, in Wedding und Tegel 1909) – verpachtet. Obendrein war Oswald P. ein passionierter Jäger, fungierte während der NS-Zeit in Müh- lenbeck als Kreisjägermeister und firmierte von dort aus un- ter der Bezeichnung Gutsver- waltung Jägerhof. Das Gut Jägerhof befand sich nach dem Zusammen- bruch 1945 in der sowjetischen Besatzungszone. In der wurde Was geschah am Jägerhof? Straßennamen und ihre Geschichte Teil 2 – Am Jägerhof in Mühlenbeck Das Verwaltungsgebäude des Jägerhofes heute

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