Mühlenspiegel 22

30 D en Bürgerhaushalt als direkte Mitwirkung an der Willens- bildung und Beschlussfassung über die Gemeindefinanzen darzustellen, wäre „eine Beleidigung für den Bürger“, ver- deutlicht Glienickes Bürgermeister Dr. Hans G. Oberlack gleich zu Beginn unseres Gesprächs seine Auffassung. Von den kommuna- len Aufwendungen jährlich gut 0,5 Prozent (100.000 Euro) für eine öffentliche Abstimmung zur Verfügung zu stellen, sei vielmehr ein von der Gemeindevertretung beschlossener Versuch, mehr Bürge- rinnen und Bürger für das nachbarschaftliche Zusammenleben in der Gemeinde zu interessieren. „Das gelingt auch“, bestätigt Rosa- mond Harbich, die imRathaus unserer Nachbargemeinde mit einer halben Stelle für den Bürgerhaushalt zuständig ist. Mit ihr hatte ich mich verabredet, um aus den Erfahrungen „nebenan“ Hinweise für die Einführung eines Bürgerhaushalts in der Gemeinde Mühlen- becker Land zu erhalten, wie ihn unsere Gemeindevertretung im zweiten Anlauf fraktionsübergreifend beschlossen hat. Ein erster Antrag war 2016 knapp gescheitert – nicht aus grundsätzlicher Ablehnung, sondern eher in Anbetracht der bereits vorhandenen Mitwir- kungsmöglichkeiten unserer vier Ortsbeiräte, die im Rahmen der kommunalen Haushaltsbe- ratungen jedes Jahr bürgernah Zuwendungen an örtliche Ver- eine und Initiativen sowie für die Jugend- und Seniorenarbeit vergeben. Inzwischen sind mehrere Gemeinden und Städte Oberha- vels dem viel beachteten Vorbild von Eberswalde im Landkreis Barnim gefolgt. Dort war schon 2008 ein Bürgerhaushalt einge- führt worden, ab 2013 als „Bürgerbudget“ erfolgreich neu justiert und in diesem Jahr bereits im sechsten Durchlauf. Hohen Neuen- dorf folgte 2014, Glienicke 2016, Hennigsdorf und Oranienburg 2017. Velten und unsere Gemeinde Mühlenbecker Land sind ab 2019 dabei. Was ist der Bürgerhaushalt? Eine durch Satzung geregelte Form kommunaler Bürgerbeteili- gung. Die Gemeindevertretung legt dafür einen Betrag fest, über dessen Verwendung zum Nutzen der Gemeinde die Bürgerinnen und Bürger in einer Abstimmung direkt und verbindlich entschei- den. Die Städte Hohen Neuendorf, Hennigsdorf, Oranienburg und auch Glienicke/Nordbahn stellen je Haushaltsjahr 100.000 € zur Verfügung; Velten hat 50.000 € vorgesehen. Zur Abstimmung kön- nen Projektvorschläge eingereicht werden, deren Kosten 15.000 € (Velten) oder 20.0000 € nicht überschreiten dürfen. Wer kann Vorschläge einreichen? Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde bis zu einem bestimmten Stichtag. Als Mindestalter bestimmen einige Orte 12, 14 oder 16 Jahre; andere verzichten auf eine Altersangabe und las- sen auch zu, dass Ideen von auswärtigen Besuchern eingebracht werden. Die eingereichten Vorschläge werden von der Verwaltung auf Machbarkeit, Zuständigkeit und Kosten geprüft und dann mit entsprechenden Hinweisen auf einer Abstimmungsliste veröf- fentlicht. Wie wird abgestimmt? Auf einer Abschlussveranstal- tung an einem festgelegten „Tag der Entscheidung“. In der Regel haben die Stimmberech- tigten drei oder fünf Stimmen, die sie auch auf verschiedene Projekte verteilen können: Die Hohen Neuendorfer kleben grüne Punkte auf Stellwände, in Glienicke werden Stimmtaler in große Vasen geworfen, Hen- nigsdorf lässt im Abstimmungsraum auf Tablets tippen. In Ora- nienburg können die Bürgerinnen und Bürger drei Wochen lang vorher auch per Briefwahl teilnehmen oder ihren Stimmzettel im Bürgeramt in eine Wahlurne werfen. Und die Ergebnisse? Werden nach der öffentlichen Auszählung und Bekanntgabe von der Gemeinde umgesetzt – wie Beschlüsse der Gemeindevertre- tung! In Hohen Neuendorf hatte Ariane Fäscher als Rathaus-Mit- arbeiterin die Einführung des Bürgerhaushalts begleitet. „Anfangs Was ist ein Bürgerhaushalt ? Eine neue Form kommunaler Einwohnerbeteiligung Punktevergabe in Hohen Neuendorf.

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