Mühlenspiegel 22

11 STRASSENNAMEN CHRONIK Text: Karl-Heinz Schmidt Fotos: Karl-Heinz Schmidt D ie heutige Hermsdorfer Straße ging ursprüng- lich bis zur Bahnhofstra- ße. Um 1934, zur Hitlerzeit, wurde ein Teil der Straße – von der Bahnhofstraße bis zur Bir- kenstraße reichend – in „Stra- ße der SA“* umbenannt. Dieser Name bestand bis 1945. Nach Kriegsende erfolgte die Umbe- nennung in „Franz-Schmidt- Straße“, zum Gedenken an den NS-Widerstandskämpfer Franz Schmidt, der sechs Jahre, von 1938 bis zu seinem Tode, Schildower Einwohner war. In der Ortschronik von Schildow findet man u.a. unter dem Titel „Tod unterm Fallbeil der Na- zis“ die Vita von Franz Schmidt mit folgendem Eintrag: Geboren wurde Franz Schmidt in Luckenwalde. Dort in der kleinen Gastwirtschaft seines Vaters, eines SPD-Man- nes, knüpfte er als Siebzehn- jähriger erste Kontakte zur organisierten Arbeiterschaft, die der junge Friseurgeselle auf der Wanderschaft durch Deutschland und die Schweiz vertiefte. Im ersten Welt- krieg wurde er eingezogen. Sein Einsatz als Sanitäter bei schwerverwundeten Soldaten, die „lediglich zusammenge- flickt wurden, um sie wieder für den Heldentod brauchbar zu machen“, verdeutlichte ihm den Widersinn militärischen Massenmordens. Bei Kriegsende von seinen Kameraden in den Arbeiter- und Soldatenrat berufen, kämpfte er in den Reihen der Leuna-Arbeiter. 1919 trat er der KPD bei; für seine Beteiligung an der Abwehr des Kapp-Put- sches wurde er von der Polizei gejagt. Mitte der zwanziger Jahre kam er nach Berlin. Im Sani- tätsdienst hatte er seine wahre Berufung erkannt, er machte sein Examen als Krankenpfle- ger. Franz Schmidt arbeitete u.a. im Moabiter Krankenhaus, im Virchow-Krankenhaus und in den Bucher Krankenanstal- ten, wo ihn die Kollegen wegen seines Eintretens für ihre Belange in den Angestelltenrat wählten. 1933 wurde er entlassen, als er sich weigerte seine Genos- sen an die Nazis zu verraten; wieder mußte er zeitweilig untertauchen bzw. sich mit Gelegenheitsarbeiten durch- schlagen, wenn ihm „wegen staatsfeindlicher Betätigung“ die Arbeitslosenunterstützung verweigert wurde. Er arbeitete 1936 als Heilgehilfe der AEG Turbine Moabit, später in einer „Technischen Vorschule“, die Lehrlinge als Bodenpersonal für die Luftwaffe ausbildete. Selbst hier nutzte er jede Gelegenheit, um junge Men- schen zum kritischen Denken anzuregen, ihnen die Augen über den Nationalsozialismus zu öffnen. 1938 war er nach Schildow gezogen. Seine Wohnung wur- de zum Asyl für untergetauchte Funktionäre der Saefkow- Jacob-Bästlein-Gruppe und zu einer Verbindungsstelle zwischen Widerstandsorga- nisationen. Die Gruppe hatte auch zu den Männern des „20. Juli“ Kontakt; Franz Jacob und der 1945 ebenfalls hingerich- tete Pädagoge Theo Neubauer lernten den Mut und die Gast- freundschaft von Erna und Franz Schmidt kennen. Durch eingeschleuste Gestapo- Spitzel flog der Treffpunkt im Juli 1944 auf; eine Welle von Verhaftungen erfaßte alle füh- renden Mitglieder der Saef- kow-Gruppe, auch das Ehepaar Schmidt und den ebenfalls in Schildow wohnenden Kampfgefährten Paul Richter. Im September verhängte der „Volksgerichtshof“ die Todes- urteile über die Angehörigen der Saefkow-Gruppe. Franz Schmidt starb am 30. Oktober 1944 im Zucht- haus Brandenburg durch das Fallbeil. Paul Richter wurde ebenfalls hingerichtet. Erna Schmidt hat überlebt und sich nach dem Krieg in der Frauenorganisation für viele örtliche Belange eingesetzt. Für diese Recherche geht mein Dank an unsere Ortschronistin Frau Sigrid Moser sowie an den Zeitzeugen Herrn Paul Behnert, beide aus Schildow. Wer war eigentlich ... ? Straßennamen und ihre Geschichte Teil 1 – Die Franz-Schmidt-Straße in Schildow Ehrenmal auf dem Friedhof in Schildow. Die eigentliche Grabstätte von Franz Schmidt ist unbekannt * Die Sturmabteilung (SA) war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP und spielte als Ordnertruppe eine entscheidende Rolle beim Aufstieg der Nationalsozialisten, indem sie deren Versammlungen vor Gruppen politischer Gegner mit Gewalt abschirmte oder gegnerische Veranstaltungen behinderte. Nach der Machtübernahme der NSDAP wurde die SA kurzzeitig auch als staatliche „Hilfspolizei“ eingesetzt. Nach der bedin- gungslosen Kapitulation 1945 wurde sie wie die NSDAP und SS mit dem Kontroll- ratsgesetz Nr. 2 verboten und aufgelöst.

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