Mühlenspiegel 21

13 INTERVIEW GEMEINDESPIEGEL Interview: Rita Ehrlich Foto: Gudrun Engelke Gleicht die Arbeit als Bürgermeister nicht manchmal einem Kampf gegen Windmühlen? Zahlreiche Probleme scheinen sich trotz aller An- strengungen einfach nicht zufriedenstellend lösen zu lassen. Verlie- ren Sie da nie die Lust? Als langjähriger Gewerkschafter, seit meinem 16. Lebensjahr, bin ich es ge- wohnt für die Interessen der Menschen einzustehen. Nicht selten hat man das Gefühl, dass die vielen Wünsche in unserer schnelllebigen Zeit nicht unmittelbar zu erreichen sind. Und dann gibt es ja meist auch nicht die eine perfekte Lösung für ein Problem, sondern viele verschiedene Möglichkeiten. Das Ringen um die „beste“ Lösung, die Abwägung ist oft nicht leicht: Welcher Weg bringt für die meisten Menschen die meisten Vorteile? Das kann kein Mensch alleine, sondern es sind Fachentscheidungen, die im Team getroffen werden und sehr oft auch Kompromisse nötig machen. Und doch: Was wir in den Jahren geschaffen haben – die Gesamtschule, die neuen Kitas, das nun bald entstehende Pflegezentrum in Schildow, den Erhalt der Brücke am Zehnrutenweg, der in Planung befindliche soziale Wohnungbau mit dem Landkreis und vieles mehr – das zeigt, dass man mit Ausdauer und Training ein Spiel oft doch noch drehen kann. Ja, wir haben viele ungelöste Probleme und trotzdem bin ich mit dem, was wir bisher geschaffen haben, sehr zufrieden. Unsere Außenwirkung zum Bei- spiel wird von vielen anderen Gemeinden sogar als Vorbild wahrgenommen. Auch wenn der Weg dorthin nicht immer leicht war. Es ist wie beim Marathonlauf: Auf halber Strecke fängt es an wehzutun. Von „Lust“ kann da keine Rede mehr sein, aber das Ziel bleibt dennoch vor Augen. Hat man dann das Ziel trotz aller Widrigkeiten erreicht, gibt das enormen Auf- trieb für die nächsten Vorhaben. Und wir haben hier ja noch einiges vor! Momentan wird von Verwaltung und Politik gemeinsam der Wegwei- ser 2030 entwickelt. Welche Probleme sind aus Ihrer Sicht in unserer Gemeinde die dringendsten? Und wie wollen Sie diese lösen? Die Gemeinde Mühlenbecker Land erfreut sich eines stetigen Zuzugs. Immer mehr Menschen, immer mehr Familien kommen zu uns. Über 50 Prozent unserer Bevölkerung stammt inzwischen ursprünglich aus „unserer Vorstadt“ (schmun- zelt), also aus Berlin. Damit brauchen wir aber auch immer mehr Infrastruktur. Das ist definitiv eines der Hauptprobleme: Verkehr und Straßenbau, Bildung und so weiter. Aus diesem Grund haben wir schon im Haushalt 2018 den Schwer- punkt auf genau diese Themen gelegt. Trotzdem, unser Herz ist groß, unsere Möglichkeiten sind aber endlich. Die Umsetzung unserer ambitionierten Ziele wird in den kommenden Jahren noch viel Kraft erfordern. Und dazu bedarf es etwas ganz Wichtigem: Miteinander statt Gegeneinander, Solidarität statt Ausgrenzung. Nur gemeinsam können wir eine schöne und bunte Gemeinde der Zukunft erschaffen! Ich bin überzeugt, dass der Streit zwischen verschiedenen Meinungen der Gemeinde gut tut – solange er auf der Basis von gegenseitigem Respekt und gemeinsamer Ziele für das Miteinander und Füreinander stattfindet. Nur mit offenen Diskussionen und Debatten können wir Lösungen finden, die langfristig Bestand haben und von Mehrheiten getragen werden. Ich akzeptiere jeden Men- schen, wenn auch nicht unbedingt seine Ideologie. Und ich fordere, dass wir mit- einander (!) reden statt über den anderen. Nur so können wir unsere Probleme in den Griff bekommen und das Bestmögliche für alle Menschen hier herausholen. In der Gemeinde Mühlenbecker Land veranstaltet jeder Ortsteil regelmäßige Feste. Jeder Verein, jede Gruppierung hat eigene Veran- staltungen. Warum soll es am 17. Februar 2018 nun noch zusätzlich ein „Rathausfest“ geben? Die Identität der vier Ortsteile zu bewahren und an kommende Generationen weiterzugeben halte ich für sehr wichtig. Als Bürgermeister möchte ich darü- ber hinaus jedoch die Bürger aus allen Ortsteilen einander näher bringen, ein größeres Wir-Gefühl entwickeln. Kein Ortsteil soll sich ausgegrenzt oder ver- nachlässigt fühlen. Ich möchte, dass die Bürgerinnen und Bürger stolz auf ihre Gemeinde als Ganzes sind und sich mit ihr identifizieren. Dazu dient übrigens seit Jahren auch der mühlenspiegel. Außerdem halte ich es für ganz wichtig, dass das Miteinander und Füreinan- der zwischen Neubürgern und Alteingesessenen wächst. Mir ist es ganz wichtig, hier eine gemeinsame Identität zu schaffen. Und nirgendwo kommt so schnell ein Gefühl des Miteinanders auf, als wenn man gemeinsam tanzt, isst und feiert. Im kommenden Jahr begeht unsere Gemeinde ihr 15-jähriges Jubiläum. Dies nehme ich nun als Anlass für ein großes Fest für alle, zentral am Rathaus. Den Termin im Februar haben wir bewusst gewählt, um den Ortsteilfesten keine Konkurrenz zu machen – und um die sonst eher „dunkle“ Jahreszeit ein wenig zu erhellen. Ich hoffe, dieses Fest über die Jahre zu einem festen Termin für viele Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde machen zu können. Sie sagten zu Beginn, Ihr Amt sei komplex und anspruchsvoll. Wie jeder Mensch braucht auch ein Bürgermeister etwas das ihn antreibt. Orte, Zeiten oder Menschen, die ihm erlauben neue Kraft zu tanken. Wo holen Sie sich Ihre Energie her? Natürlich spornen mich die großen Erfolge an, aber auch die kleinen guten Dinge jeden Tag. Im Gespräch mit den Menschen bekomme ich so viele Rück- meldungen, dass die Bürger bei allen Problemen doch glücklich sind, hier im Mühlenbecker Land zu leben. Und das ist mein Motor! Außerdem gibt mir die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und Mitarbeitern ganz viel Kraft. Jogi Löw ist ein guter Trainer, weil er gute Spieler hat. Auch ich bin nur so gut wie mein Team. Und – auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt wenig bescheiden klingt – mein Team ist gut! Bei all den Veränderungen, die un- sere Verwaltung mitgemacht hat, leisten die Mitarbeiter – in der Kernverwaltung ebenso wie in den Außenbereichen, in den Kitas, in den Horten – ihre Arbeit Tag für Tag mit konstant hoher Qualität. Das finde ich großartig! Na, und persönlich tanke ich natürlich auch ganz viel Kraft in der Zeit mit mei- nen Kindern. Nicht zu vergessen natürlich, wenn ich mit meinen Sportskameraden auf dem heimatlichen Fußballplatz stehe, ist das auch so eine Tanksäule für mich. Zum Abschied: Was wünschen Sie den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Mühlenbecker Land für das kommende Jahr? Im vergangenen Jahr war ich häufig auf Friedhöfen. Viele liebgewonnene und wichtige Menschen musste ich gehen sehen. Mit meinen 54 Jahren habe ich jetzt schon einige Schicksalsschläge hinter mir und glaube dabei vor allem eines verstanden zu haben: Das Wichtigste auf der Welt, das größte Glück ist Liebe und Freiheit erleben und genießen zu dürfen. Jede Sekunde, die wir mit unseren Liebsten verbringen dürfen, mit Menschen, die uns etwas bedeuten, ist kostbar. Ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern für das kommende Jahr Gesund- heit und genau dieses Glück, Zeit für das wirklich Wichtige und menschliche Wärme in schwierigen Zeiten. Und unserer Gemeinde wünsche ich, dass sie im nächsten Jahr weiterhin von so vielen Menschen lebt. Von all jenen, die beitragen, die sich ehrenamtlich engagieren – als Jugendtrainer, in der Nachbar- schaftshilfe oder in der Politik. All den lauten und stillen Helden und auch jenen, die dies als Teil ihres Berufes tun. All diesen solidarischen und aktiven Bürgern möchte ich Danke sagen; nicht weil sie etwas Außergewöhnliches tun, sondern weil sie das Gewöhnliche außer- gewöhnlich gut tun – miteinander arbeiten, Probleme ansprechen, das Perfekte anstreben, sich nicht entmutigen lassen und immer weiter an allen Stellschrau- ben drehen. Nur gemeinsam können wir etwas bewegen, schaffen, die Gemeinde verbessern. Und wir brauchen diesen Einsatz für das Zusammenleben und für mehr Menschlichkeit in dieser einen Welt. Herr Smaldino-Stattaus, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

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