Mühlenspiegel 19

47 KINDERPFLEGE wie bedenklich und angespannt die Situati- on bezüglich des Angebotes an Hebammen in Deutschland ist. Gleich nach der Zeugung anfragen Am besten gleich nach der Zeugung des Kindes sollte man sich nach einer Hebam- me umsehen, rät Frau Volkmann, die als Beleghebamme im Virchow-Klinikum der Charité arbeitet. Sie betreut ihre Frauen, vorausgesetzt die werdende Mutter entschei- det sich für eine Geburt im Virchow-Klinikum der Chari- té, vor, während und nach der Geburt. In bestimmten Fällen übernimmt sie aber auch nur die Wochenbettbetreuung. Zum Glück gibt es aber auch noch einige andere Hebammen, die imMühlenbecker Land tätig sind. Die Versorgungslage mit Hebammen wird sich aber in nächster Zeit weiter verschlech- tern. Einige gehen in den Ru- hestand, der Nachwuchs fehlt, andere überlegen aufgrund von neuen bürokratischen Auflagen durch den Gesetzgeber, den Be- ruf aufzugeben. Optimal ist die Situation keinesfalls. Nicht umsonst zählen die Hebammen zu den Berufsgruppen, die in jüngster Zeit immer wieder demonstrie- rend vor dem Bundesgesundheitsminis- terium in Berlin auf ihre schwierige Situ- ation hingewiesen haben. Es geht um ihre Haftpflichtversicherungsprämien, die sich von 2002 bis 2016 mehr als verzehnfacht haben und ihr Einkommen auffressen. Inzwischen muss eine Hebamme, die frei- beruflich Geburtshilfe anbietet, über 6800 Euro allein für ihre Berufshaftpflichtver- sicherung bezahlen. Zudem schließen in Deutschland zahlreiche Kreißsäle. Eine Landkarte der Kreißsaalschließungen fin- det man auf www.unsere-hebammen.de Demnach sind seit 2015 bundesweit 51 ge- schlossen worden oder von der Schließung bedroht - fast monatlich macht einer ganz oder vorübergehend dicht. Expertinnen rund um die Uhr Noch gibt es von der Berufsgruppe hilf- reiche Angebote für werdende Mütter aus dem Mühlenbecker Land: Eine Hebam- Text: Sara Friedrich Fotos: Fotogruppe SichtWeisen www.unsere-habammen.de HEBAMMEN mensprechstunde, Geburtsvorbereitung, Shiatsu für Babys, Rückbildungsgymnastik und PEKiP-Kurse bietet beispielsweise die MAMMA MIA Hebammenpraxis in Ho- hen Neuendorf an. Dort arbeitet auch San- dra Wenzel, eine Hebamme aus Birkenwer- der, die Frauen im Mühlenbecker Land im Rahmen der Geburtsvor- und Nachsorge besucht. Sie hat eine Teilzeitanstellung im Kreißsaal der Charité Mitte und ist daher, ähnlich wie Frau Volkmann, fachlich auf dem neusten Stand der Geburtsmedizin. Sie ist allerdings keine Beleghebamme. Nur mit ganz viel Glück begleitet sie also auch die Geburt einer ihrer Klientinnen, so die bis nach Mitte kommen, um in der Charité zu gebären. Kurse vom Abstillen bis zur Zwillingspflege Das Kursspektrum ist aber noch breiter und geht mit der Zeit. Eine spezielle Trage- tuchberatung und eine Breikosteinführung können junge Mütter und Väter unter an- derem bei der Hebamme Katrin Nickel in der Hebammenpraxis Wandlitz im Ortsteil Schönwalde erhalten. Nickel stellt verschie- dene Tragesysteme und Tragetücher vor. Im individuellen Einzelcoaching kön- nen gut bewährte und bequeme Trage- varianten erlernt und selber ausprobiert werden. Bei Bedarf leiht die Hebamme für einige Tage ein Tuch oder ein anderes Tragesystem aus. Eine Trageberatung emp- fiehlt sich demnach bereits in der Schwan- gerschaft, kann aber auch durchgeführt werden, wenn das Baby auf der Welt ist. Oft gewünscht: Hausgeburten Für Frauen, die sich eine Hausgeburt wün- schen, ist Hebamme Heike Köster (Fotos) aus Berlin die richtige Ansprechpartnerin. Sie bietet als eine von ganz wenigen, mögli- cherweise sogar als einzige Hausge-burten im Mühlenbecker Land an. Mit Kösters Hilfe hat die Medizinstuden- tin Jenni Louise Becker ihr 2. Kind in aller Ruhe in Summt zu Hause entbunden. Nach 20 Jahren endlich wieder ein „echter Summter“. Zum „birth watching“ lud sie dabei sogar noch Kommilitonen aus dem Semester ein, um zu demonst- rieren, dass die natürliche Ge- burt ein positiver Prozess ist. Beckers Mutter hat zur Kultur- geschichte des Gebärens un- ter dem Titel „Der verwaltete Körper“ geforscht. Die Tante ist Hebamme. Auch ihr drittes Kind würde Jenni Louise Be- cker wieder daheim gebären. Bundesweit werden übri- gens jährlich rund 3.800 Babys in der häuslichen Umgebung geboren bei insgesamt etwa 700.000 Geburten. Der Deut- sche Hebammenverband hat im Rahmen seiner Kampagne „Unsere Hebammen“ dazu aufgerufen, die Geschichte der ei- genen Hausgeburt zu erzählen. 40 davon kann man mittlerweile auf der Internetsei- te des Verbandes nachlesen. Das Hebammenwesen wurde 2016 durch die UNESCO in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenom- men. Die Tätigkeit von Hebammen zählt zu den ältesten Berufen der Welt. Die Aufnah- me unterstreicht die historische Wertschät- zung - und verweist zugleich auf die aktuelle Bedeutung des Berufs. Von den 17.000 Heb- ammen sind bundesweit übrigens nur noch 1.700 Beleghebammen. Ein Beruf, der den Menschen stets aufs Neue das Glück neugeborenen Lebens schenkt

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