Mühlenspiegel 17

Wie sind Sie nach Schildow gekommen? 1989 habe ich im Frühjahr in West-Berlin Christine kennengelernt, die wenige Jahre vorher im Rahmen einer Familienzusammenfüh- rung aus Schildow in den Westen gekommen war. Nach dem Mau- erfall sind wir gemeinsam in ihr Heimatdorf Schildow gezogen. Ich hab’ mein Gewerbe angemeldet, Fahrzeuge ausgestellt und bin Mit- glied im Gewerbeverein geworden. In den 90er Jahre habe ich Sie als ehrenamtlichen Bürgermeister von Schildow in einer Sitzung des Amtsausschusses in Stolpe kennenge- lernt. 1993 waren Kommunalwahlen, und im Gewerbeverein war ich auf- gefordert worden als Bürgermeister zu kandidieren. Das war ich dann in einer kommunalpolitisch ganz schön aufgeregten Zeit bis 1998. Viele Akteure von damals kenne ich noch, zu einigen habe ich auch noch Kontakt. Übrigens haben wir damals in Schildow auch ein Seniorenwohnheim bauen wollen, was aber an zu vielen Wün- schen gescheitert ist, die kein Investor zu erfüllen bereit war. Eini- gen Gemeindevertretern passte auch nicht die beabsichtigte Lage im Ortszentrum. Aber als alter Mensch will man nicht " jwd" ins Grüne oder den Wald abgeschoben werden. Da trifft man doch keine Men- schenseele, und kaum einer kommt mal eben so vorbei. Das ist hier anders. [Auf dem Tisch klingelt Pfaffs Handy.] Das ist bestimmt meine Regierung. [Gemeint ist seine Lebensgefährtin.] Ich geh mal eben ran. (...) Doch nicht: Vodafone bietet einen neuen Mobilfunk- Vertrag an. Die versuchen’s immer wieder. Wo waren wir stehenge- blieben? Ihr Leben als Schildower Senior in der Bahnhofstraße. Ich hatte schon in den Jahren zuvor ein interessantes, schönes Leben führen können und die Welt kennengelernt: Teilweise im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeiten war ich in Kenia, Ägypten und den Maghreb-Staaten, in Jerusalem, in Alaska, den USA und Japan. Mit Christine und ihrer Tochter Claudia habe ich dann 1994 sechs Wochen am Stück in Nordamerika Urlaub machen können. Meine Tochter aus der Ehe war früh nach Kanada ausgewandert, und so konnten wir sie dort besuchen, sind durch kanadische National- parks und mit der Kanadischen-Pazifik-Eisenbahn nach Vancouver gefahren. Ich habe Lachse geangelt - mit Profis mal 26 Stück in einer Stunde. Dann waren wir im Yellowstone-Nationalpark im US-Bun- desstaat Wyoming. Leider wurde mir dort die Brieftasche geklaut, so dass man mich aus den USA nicht ausreisen lassen wollte. Aber zum Glück hatte ich das Rückflugticket in einer anderen Jacken- tasche aufbewahrt: Das hat mir dann doch noch die Wiederein- reise nach Kanada ermöglicht. Also von Berlin und Schildow in die weite Welt – und jetzt ver- kraften Sie die Beschränkung auf 20 qm Wohnfläche, und es gelingt Ihnen, sich in den Kom- plex des Seniorenwohnheims einzufügen? Claudia, die Tochter meiner Lebensgefährtin, hat Sozialwis- senschaften studiert, und als sie merkte, dass ich anfing mit meiner Gegenwart zu hadern, hat sie sich hier neben mich auf das Sofa gesetzt und gesagt: Ich erklär Dir das mal! Du bist von deiner frühen Erziehung geprägt, aufgewachsen mit der Vorstellung von Arbeit und Pflichterfüllung als Sinn des Lebens. Darum ärgerst du dich darüber, wenn heute junge Leute im Leben vor allem Spaß oder Lust auf etwas haben wollen – oder sonst lieber „hartzen“. Solche Rückblicke und Verglei- che machen dich unglücklich. Es ist ganz wichtig, dass du dir mit realistischer Selbsteinschätzung neue Tagesstrukturen aufbaust. - Wissen Sie was, Herr Grimm? Das hat mir eingeleuchtet ... jeden- falls nach einiger Zeit! Und was haben Sie gemacht? Ich wurde gefragt, ob ich nicht für den Heimbeirat kandidieren wollte. Früher war ich mal Gewerkschafter und Betriebsrat gewe- sen, und als ich Claudia davon erzählte, sagte sie: Mach das! Wis- sen Sie, Heimbeirat, das ist so etwas wie Ortsbeirat: Hat auch nichts zu sagen, kann aber lästig werden. In diesem Sommer wurde ich tatsächlich mit drei Damen in den Heimbeirat gewählt – und von den Damen zum Vorsitzenden auserkoren. In der konstituieren- den Sitzung habe ich erklärt: Meine Damen, wir wollen hier keine Kinderveranstaltung mit Ponyreiten abhalten: Man soll und muss uns ernst nehmen! Es gibt nämlich regelmäßige Kontrollbesuche des LaGeSo (Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales) und da- bei auch Gespräche mit dem Heimbeirat ohne Anwesenheit der Hausleitung. Worüber berät der Heimbeirat? Beschwerden über kalte Salzkartoffeln - aber das lass ich nicht be- raten, sondern spreche direkt mit der Küche. Es gibt einen Kum- merkasten für Beschwerden, auch anonyme, was ich eigentlich INTERVIEW SENIOREN 42 Kaufte gern auf dem Schildower Wochen­ markt ein: Irma Grimm wohnt jetzt „betreut“ in Tegel Wohnissimo, Inh. Erik Schmell | Hauptstr. 32a | 16567 Mühlenbeck Tel.: +49(173)9170909 | Phone: +49 (33056) 215841 E-Mail: info@wohnissimo.de | Internet: www.wohnissimo.de

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