Mühlenspiegel 17

PORTRAIT 39 KULTUR den Westen gegangen sei – alle, außer sie. Petra Wolf blieb, weil sie als einziges Kind nie die Eltern verlassen hätte. Und dann fiel die Mauer ja doch, für sie ganz unverhofft. Die Mauer fiel völlig unverhofft Sie nutzte die neue Freiheit, um einige Semester Landschaftspla- nung an der TU zu studieren. Die Inhalte konnte sie gut für ihre Arbeit als Journalistin beim Oranienburger Generalanzeiger nut- zen, für den sie seit 1994 schreibt – lange Zeit über Kommunalpo- litik, aber auch über 70 private Gärten und ihre Besitzer. Ein Garten sei der Spiegel eines Menschen, sagt sie, die so vie- le gesehen hat. Sehr akkurate, ganz natürliche, besonders blumige oder einfach nur grüne - jeder sei einzigartig. Ihre zweite Leiden- schaft sind die Portraits. Menschen zu treffen, sie zu skizzieren, macht sie froh. Wohin mit dem Schmerz, wenn der Partner stirbt? Als sich ihr Mann wegen einer unheilbaren Erkrankung das Le- ben nahm, gefror ihr Leben. Sie ertrug die erste Zeit fast nicht, wollte die Trauer schließlich in viel Arbeit wegschreiben, recher- chierte und stellte dabei fest, dass sie ja nur eine von fünf Millio- nen deutschen Witwen ist. Das brachte die Journalistin auf eine Idee. Und so ist das erste Buch schließlich beim custos Verlag erschie- nen und stand zwischenzeitlich auf der brandenburgischen Best- sellerliste. Bei ihren Lesungen erhielt sie auch erste Kontakte zu Witwern. So entstanden neue Gespräche, die schließlich in ein zweites Buch mündeten. Ebenfalls 18 Portraits, diesmal über Männer. Beein- druckt habe Petra Wolf, dass viele der Zurückgebliebenen ihre Frauen bis zum Schluss zu Haus gepflegt hätten. Dass Männer nun ganz anders trauern würden, kann sie so aber nicht nachvollziehen. Den Rückzug nach dem Verlust des Partners, den würden durchaus beide Geschlechter suchen, der eine mehr, der andere weniger. Johanniskraut aus dem Mühlenbecker Land Wenn die Schildowerin mal nicht schreibt, macht sie Kräuterwan- derungen im Tegeler Fließtal, oft führt sie große Gruppen. Ganz häufig sei hier etwa das Johanniskraut, woraus Petra Wolf Öl macht. Aus Steinkraut macht sie Tee. Und manche Kräuter seien einfach nur schön anzusehen, wenn sie blühen. Eines der kommenden Projekte könnte eine neue Publikation sein. Das Ehepaar vom Summter Hofladen überlegt, ein Buch über ihre Arbeit zu veröffentlichen, mit Rezepten und Anekdoten aus dem Hofladen-Alltag. Die beiden wollen Petra Wolf gern als Texte- rin haben. Man darf gespannt sein. Sie porträtierte 18 Witwen und erfuhr dabei viel über Trau- erbewältigung. Frauen, die es verstanden hätten, den Verstorbe- nen in ihre Umwelt zu integrieren, hätten es einfacher, berich- tet die 61-Jährige. Dazu zähle auch das Reden. Wenn eine Frau beispielsweise 40 Jahre mit ihrem Mann verheiratet war, habe sie das Bedürfnis, auch nach dem Tod über ihn zu reden, wenngleich Angehörigen oder Freunden das häufig schon zu viel sei. Viele Witwen würden sich deshalb zu Gesprächsgruppen zusammen- tun - physisch oder auch digital. Authentische Portraits über Witwen und Witwer Für das Manuskript zum Buch interessierte sich zunächst Dro- emer Knaur. Allerdings wollte der Verlagslektor, dass sie einzelne Portraits umschreibt. Ihm gefiel beispielsweise nicht, dass die In- terviewpartnerinnen auch ein Bedürfnis nach Sexualität äußer- ten. Sex und Witwen, dass passe nicht zusammen, Passagen zu verändern, lehnte Petra Wolf aber ab. Ihre beiden im custos-Verlag erschienenen Bücher "Trauer ist der Preis der Liebe. Witwer erzählen" (200 Seiten, 12,90 Euro) und "Das Bleiben schmerzt mehr als das Gehen. Witwen erzählen" (164Seiten, 10,90 Euro) sind im Buchhandel bestellbar. Text: Sara Friedrich Fotos: Fotogruppe SichtWeisen, Privat www. petra55wolf.de Petra Wolf bei der Arbeit: Als Journalistin während der Recherche, als Fachfrau auf Kräuterwanderungen und beim Signieren ihrer Bücher nach Lesungen

RkJQdWJsaXNoZXIy NzY5NzY=