Mühlenspiegel 17
ERINNERUNGEN LEBENSLÄUFE 16 I ch bin jeden Tag um zehn vor halb fünf mit dem Rad nach Schildow gefahren, von dort mit dem Bus bis Pan- kow - Vinetastraße und weiter mit der U-Bahn zum Alex“. In der heutigen Zeit undenkbar; „das würde kaum einer mehr machen“, sagt Dirk Janutta. Er erinnert sich gern zurück an seine Lehrzeit und die damit verbundene allmorgendliche Tour nach Berlin: „Und dann bin ich über den Alex gerannt, ich glaube, ich bin jeden Mor- gen über den Alex gerannt“. Das war 1982. Es waren DDR- Zeiten. Dirk Janutta war 17 Jahre jung, und es war ein Privileg, eine Ausbildung zum Koch im Palast der Republik zu machen. Koch im Palast, das war schon was! Diese Möglichkeit bot sich nicht je- dem. Zu verdanken hatte er diese Stelle wohl seinem Va- ter. Seit 1976 betrieben seine Eltern mehrere Gaststätten im Kreis Oranienburg, so auch das bereits damals äu- ßerst beliebte Ausflugslokal am Summter See, den spä- teren „Summter Storch“. Ein Glücksfall war, dass der dama- lige Gastronomische Direktor des Palastes der Republik hier Stammgast war. Er besaß ein Wochenendgrundstück in Summt und ließ sich gern in dem Lokal verköstigen. So habe er über die Be- kanntschaft seiner Eltern die Lehrstelle bekommen, vermu- tet Dirk Janutta. Ohne Bezie- hungen bekam man keinen Job im Palast der Republik, dem Vorzeigeobjekt der DDR, Sitz der Volkskammer und Vergnügungstempel für das Volk in einem. Und so tauchte der Azu- bi aus Mühlenbeck ein in die Glitzerwelt des modernen, imposanten Prachtbaus mit den riesigen Glasfenstern, da- mals die erste Adresse in Ost- berlin. Schon das Foyer mit seiner „riesigen weißen Mar- Chefkoch Dirk Janutta aus Mühlenbeck erzählt: Meine Jahre in Erichs Lampenladen mortreppe und den tausenden von Lampen an den Decken war überwältigend“, erzählt Dirk Janutta. Hier tummelte sich, neben dem normalen Besuchervolk, alles, was Rang und Namen hatte. Im sogenannten „kleinen Saal“ tagten die Abgeord- neten des DDR-Parlaments, und alle fünf Jahre hielt die SED im „Großen Saal“ ihre Parteitage ab. Der „Große Saal“, der durch schwenkba- re Parkettteile, absenkbare Deckenplafonds und flexible Trennwände variabel einge- richtet werden konnte, diente aber auch für Bälle, Kongresse und Konzerte. Auftritte von Künstlern wie Santana, Harry Belafonte, Mireille Mathieu, oder Herman von Veen fan- den im „Großen Saal“ statt und wurden im Fernsehen der DDR übertragen. Zum Rock für den Frieden fanden Kon- zerte mit den Phudys, Karat, Silly und dem westdeutschen Rocksänger Udo Lindenberg statt. In den verschiedenen Foy- erbereichen gab es Veranstal- tungen, wie den Tag der Fa- milie, den Tag der Solidarität oder auch den Tag der Bauar- beiter. Gut ein Dutzend Restau- rants, Bars und Cafés beher- bergte der Palast, „alle immer überfüllt und auf Monate ausgebucht“, so Dirk Janutta. Es war bekanntlich nicht al- les schlecht in der DDR, viele Gaststätten waren es aber lei- der doch. Wer erinnert sich nicht an schmuddelige Res- taurants mit unfreundlicher Bedienung und mittelmäßiger Kost? Im Palast aber gab es die gehobene Küche, und die zu günstigen Preisen. Neun, zehn Mark kostete ein Gericht. Der Palast wurde bevorzugt mit Lebensmitteln versorgt. Schließlich war das Haus ein Schaufenster des Sozialismus und Sitz der Volkskammer. Für bis zu 6000 Gäste wur- Ich war Koch im Palast der Republik
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