Mühlenspiegel 12

CHRONIK LEGENDEN der Storch die kleinen Kinder, so erzählen wenigstens die Leute in Lübars und Schildow. Zur Franzosenzeit haben sich die Bewohner der umliegenden Ortschaften in dem sumpfigen Walde versteckt, haben auch ihr Hab und Gut dahin gebracht, um es vor dem Fein- de zu retten. Ein armes Kindlein aus Lübars aber blieb zurück und fiel in die Hände der Franzosen, die an dem unschuldigen Opfer ihre Rache übten dafür, dass sie keine Beute fanden. Sie töteten das Kind und begruben es am Ende des Fließes. Seitdem soll der Wald den Namen „Kindel“ führen. Die Kindelwaldsage gibt es in mehreren Varianten. Die vorlie- gende Fassung sucht ihren Ursprung in den kriegerischen Stür- men um 1806, als die Franzosen Preußen eroberten und übel in unseren Gebieten hausten. In einer anderen Version lockt das Kind die französischen Soldaten in den moorigen Kindelwald, um dann dank seiner Ortskenntnis zu verschwinden, während die Soldaten in dem sumpfigen Wald umkommen. Die Namensgebung „Kindel“ ist allerdings nicht auf das „Kind“ zurückzuführen, sondern auf einen Begriff aus dem mittelhochdeutschen Wortschatz, der ein sich verzweigendes fließendes Gewässer bezeichnet. Von kleinen Animositäten zwischen den Nachbarorten Schönfließ und Schildow, die glücklicherweise längst über- wunden sind, zeugen allerhand Geschichten, die sich die alten Schönfließer erzählten, um den Nachbarn eins auszuwischen. So zum Beispiel: Das verlorene Wort Da haben die Schildower einmal Kartoffeln gehackt, wobei sie kein Ende finden konnten. Sie setzen sich zusammen und berie- ten, was zu tun sei. Schließlich schickten sie einen pfiffigen Mann nach Schönfließ. Der sollte die Schönfließer bitten, ob sie ihnen das Wort nicht sagen könnten. Die hilfsbereiten Nachbarn sagten ihm das Wort „Ende“. Die Ratlosigkeit der Schildower lag nämlich darin, dass sie dieses Wort aus dem Gedächtnis verloren hat- ten. Darum konnten sie beim Kartoffelhacken das „Ende“ nicht finden. Als der Schildower das Wort „Ende“ vernahm, war er glücklich und machte sich auf den Heimweg. Als er jedoch auf den Gerstenberg kam, bemerkte er auf dem Stoppelacker einen Hasen. Da er so nahe war, versuchte er, ihn zu fangen und rannte ihm nach. Er fing ihn aber nicht und als er enttäuscht auf den Gers- tenberg zurückkam, da war ihm das verlorene Wort schon wieder entfallen. Er schämte sich und wollte auch nicht noch einmal in Schönfließ nachfragen. „Was tun?“, sprach er vor sich hin. Da fiel ihm die Lösung ein. Er holte sich einige Männer aus Schildow herbei und bat sie, zum Gerstenberg zur gehen, um gemeinsam zu suchen, was ihm entfallen sei. Die Männer brachen auf und suchten den ganzen Gerstenberg ab. Vorsorglich hatten alle einen Spaten mitgebracht. Da sie oben nichts fanden, fingen sie an, ein Loch in den Berg zu graben; denn sie vermuteten, dass das Verlorene in den Berg hineingefallen sei. Als sie unter vielen Schweißtropfen ein tiefes Loch gebuddelt hatten, da stöhnte einer von ihnen und sagte: „Nun haben wir schon ein ganzes schö- nes Ende gegraben und…“ „Halt!“, rief derjenige, der das Wort verloren hatte, „ da haben wir es gefunden! Ende heißt es!“ Und vergnügt gingen sie auf ihr Feld zurück, um ihre Kartoffeln zu „Ende“ zu hacken. 15 Verwunschen: Bis heute halten sich Gänse fern vom romantischen Katharinenseee Mystisch: Der urwüchsige Kindelwald beflügelt die Phantasie (siehe auch großes Bild links) Idyllisch: Der Gerstenberg erhebt sich unmerklich zwischen Schildow und Schönfließ Märchenhaft: Der Zühlsdorfer Wald birgt viele Geheimnisse

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