Mühlenspiegel 10

37 GEMEINDESPIEGEL NEUBÜRGER Berlin ebenso wie typisch traditionelle kleine Gemeinden in „Alemanha“ Sehnsuchtsorte. Brandenburger Wälder vermitteln Weite! Das Mühlenbecker Land wirbt ja mit dem Slogan „Das Glück liegt so nah“. Was assoziieren Sie mit diesem Satz? Auch wir haben Jahrzehnte mit der Suche nach dem Glück verbracht und unglaubliche Energien investiert, um es zu finden. „Denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher“, sagt Brecht. Mir war das Fernweh auf den von Ihnen genannten weiten Reisen Wegweiser. Als wir endlich alles neu sortier- ten und den eigenen Hausbau am Wald in Berlinnähe vorbereiteten, dazu auf der Summ- ter Chaussee fuhren, leuchteten uns plötzlich „Das Glück liegt so nah“ und ein Logo mit dreiköpfiger Familie an (drei saßen im Auto). Ein ganz klarer Fall von freundlicher Ironie aus der Transzendenz. Für mich war es durchaus eine Sensation, dass von den Entscheidungsträgern im Mühlen- becker Land das „Bruttonationalglück“ im fernen Königreiche Buthan diskutiert wird. Denn davon wurde das Gemeindebranding inspiriert. Allein, dass diese Idee bekannt ist, hätte ich in Bezug auf die vorherrschen- de öffentliche Meinung schon für einen Glücksfall gehalten! Als klassische Musiker haben wir erfahren: Wenn Menschen über die Kräfte des Geldes bewertet werden, ist das mit Sicherheit ein Weg ins Unglück. Wie wollen Sie sich in das Gemeindeleben einbringen? Wir haben in unser Hauskonzept Architekturtradition dieser Landschaft einbezogen. Ganz bewusst wählten wir Klinker im Klosterformat. In den Formen lassen wir gotische Architektur anklingen. Uns hat riesig gefreut, wie brandenburgischer Humor das spiegelt. Als zwei Möbellieferanten letzte Woche ihre Last bei uns abstellten, sagte einer spontan: „Na wenn se bisschen mehr Jeld jehapt hätten, hätten se wohl ne Kirche jebaut, wa?“. Zudem wird unser schallgedämmtes Haus als NaturTonStudio dienen. Frank Hill studierte Medizin an der Universität Rostock und Musik an der Hochschule Weimar. Er war einer der wenigen Gitarristen der Künstler-Agentur der DDR. Seine int. Konzerttätigkeit führte ihn durch Europa, nach Asien und Amerika. 1990 absolvierte er eine Kon- zerttournee für die UNESCO durch Groß- städte Indiens. Er leitete int. Festivals in Berlin (Konzerthaus, Musikhochschule, Lindenoper, Senat). 2009 wurde er zum Professor ernannt. 2012 gab es im Berli- ner Konzerthaus ein Komponistenporträt mit seiner Musik. Die Menschen, welche hier eine Aufnahme machen, werden vorher ein Hauskonzert im Giebelzimmer geben. Dann kennen wir uns, die Musiker den Raum und die Zühlsdorfer Kammermusikfreunde die Musiker. Wir wol- len bei der Aufnahme zum Glück führen, also auch zu sich selbst, zum eigenen Klang. Dem Gemeindebranding fügen wir unser Studiob- randing hinzu: „Klang durch Einklang“. Für uns bedeutet das auch Einklang mit Land- schaft und Natur. Um zu regenerieren bedarf es keiner weiten Reise. Das Gesuchte liegt mit einem Schritt direkt vor der Tür. Was für ein Geschenk! In den vergangenen zwei Jahren haben wir hier erstaunlich viele Kinder und Jugendliche gesehen. Alle hatten einen offenen Blick. Uns kam die Idee, zum Glückssozialprodukt mit hochqualifiziertem Musikunterricht beizutra- gen. Der Aufnahmeraum wird in diesem Falle zur „hausmusik.schule“. Wir freuen uns, Men- schen begleiten zu dürfen, die Ansprüche stel- len und Arbeit mit Musik zu schätzen wissen. Der Klavierunterricht läuft bereits. Kerstins erster Schüler kommt mit wachen Augen und äußerst erfrischender Offenheit. In Berlin sieht man viel Hektik und Getrie- benheit schon in jungen Gesichtern. Berliner Schüler sprechen gern von Dauerüberlastung und denken, es läge an der Schule. Wir haben 16 Jahre im Friedrichshain gewohnt. Schwerwiegend für uns ist, dass neuerdings in unserem alten Kiez Menschen unter Drogen zum öffentlichen Straßenbild gehören. Dealer attackieren massiv auch Kinder und da keiner eingreift, messen wir die Politik daran. Sie sind Musiker. Wenn Sie ein Lied für das Mühlenbecker Land kom- ponieren würden, quasi eine Gemeindehymne, wie würde diese klin- gen? Die sollte den Klang von Heimat haben. Ganz wesentlich klingt für mich hier das Glück charismatischer Natur mit eingebetteten Dörfern mit, ebenso der regionale sehr besondere Mutterwitz in dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit, das spielerische Bedürf- nis, die eigene Marke Brauchtum zu pflegen. Am besten funktio- niert das Komponieren, wenn man einen Auftrag nach innen ab- schickt und die Antwort aus dem Unbewussten sehr ernst nimmt. Die Antwort kann sofort kommen oder als Überraschung in eine tägliche Banalität hineinklingen. Dann muss sich die tägliche Ba- nalität sofort im Klang auflösen. So sollte auch die Hymne klin- gen. Interview: Sara Friedrich Fotos: Fotogruppe SichtWeisen www.frank-hill.de Musik ist ihr Leben: Professor Hill und seine Partnerin. Kerstin Ellert ist Diplomklavier- pädagogin. Bereits mit 11 Jahren wusste sie: Ich werde einmal Klavierlehrerin

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