Mühlenspiegel 10
12 BÜRGERGEMEINDE MENSCHEN K ennen lernten wir uns vor etlichen Jahren im Uckermärkischen Bebersee beim Wochenend- Workshop von Irmtraud Su- chers Skulpturengruppe; In- grid und ich arbeiteten Tisch an Tisch an unseren Arbeiten aus Porenbeton. An meiner Eule rumschabend, bewunder- te ich mit Seitenblicken Ingrids Einfallsreichtum bei der Ge- staltung einer abstrakten Figur. Am Abend, beim Polit-Talk in größerer Runde, erlebte ich sie hingegen um so konkreter. Ein- mal teilten wir uns bei solchem Treffen ein Pensionszimmer und tauschten bei einer Fla- sche gutemWeißwein die halbe Nacht hindurch unsere mitun- ter gar nicht so unähnlichen Ost-West-Lebenserfahrungen aus – auf gleicher Augenhöhe. Seit Jahren im benachbarten Reinickendorf wohnend, hat- te sie über die Mauer geguckt, lange bevor diese gefallen war. Nach der Wende erweiter- te sie diesen Blickwinkel. Da arbeitete die Gymnasiallehre- rin einige Jahre in der freien Wirtschaft, half mit, Bürgerbe- teiligungsformen umzusetzen, beriet Kommunen bei der Or- ganisation von Beschäftigungs- gesellschaften. Es ging darum, Menschen, die nach neuen be- ruflichen Perspektiven suchten, nicht von einer Maßnahme zur anderen zu schieben, sondern gemäß ihren Fachkenntnissen in eine dauerhafte Tätigkeit zu bringen. In der Praxis gingen oft Kräfte und Qualifikationen verloren, weil viele dieser Ge- sellschaften sich damals leider nur als Unternehmer verstan- den. Als sie im Jahre 2000 mit ihrem Mann in das neue rote Schwedenhaus unweit der Mönchmühle zog (dessen Gar- ten ab Frühjahr wieder oben erwähnte Skulpturen bevöl- kern), war für Ingrid Bonas klar: da wo ich wohne, da fas- se ich Fuß und setze mich ein. Mit den Nachbarn hatten sie schon seit der Bauphase guten Kontakt, und weil Schildow eine ähnliche Struktur besitzt wie ihr Geburtsort in der Lüne- burger Heide, fiel ihr das Einle- ben leicht. Hier wie dort ging es um Vergrößerung durch Zuzug und Eingemeindung, um neue Geschäfte und Betriebe. Ohne Bürgerbeteiligung läuft da nichts, das wusste sie, die 1976 zum Studium nach Ber- lin gekommen und nach ihrem Referendariat dort auch inter- national tätig war. Sie erwähnt ihre Schulungen und Vorträge in Österreich, Belgien, England und natürlich in unseren alten und neuen Bundesländern, nennt die beratende Tätigkeit im Technologie-Netzwerk Ber- lin e. V. Diese Erfahrungen mit „Planing For Real“ brachte sie ein, als sich 2004 aktive Bürger Gedanken machten, den Dorf- platz Schildow – damals eine große Brache – mit Leben zu erfüllen. Die Grünen-Fraktion in der Gemeindevertretung lud ein ins Hotel Schildow. An die hundert Einwohner wirk- ten mit beim Bau eines Dorf- modells in Mini-Format und in Arbeitsgruppen wie „Ge- werbe“ und „Nachbarschafts- haus“. Mit dem Modell gingen sie dann auf die Straße. Viele Ideen wurden von den Bür- gern entwickelt. Die Methode war erfolgreich. Ingrid Bonas nennt die Zahl von rund 1000 Leuten – eine nach ihren Berli- ner Erfahrungen der 90er Jahre erstaunliche Menge – die sich an dieser „Planung von unten“ beteiligt haben. . 2007 schließlich erteilte die Gemeindevertretung dem da- maligen Bürgermeister Brietz- ke den Auftrag, aus allen vier Ortsteilen und allen Bereichen (Gewerbe, Sport, Gesundheit, Senioren, Schule, Kinder- und Jugendarbeit) aktive Bürger für eine Leitbildgruppe zu gewin- nen. Als Initiatorin der „Pla- nung von unten“ war natürlich auch Ingrid Bonas dabei; die Mitglieder wählten sie zur Mo- deratorin. Dieses Leitbild unter dem Titel „Mühlenbecker Land – Wohlfühlland, Wohnen, wo andere Erholung suchen“, das die Zukunftspläne der Ge- meinde Mühlenbecker Land bis ins Jahr 2020 beinhaltet, wurde 2010 von der Gemeinde- vertretung beschlossen. Erst wenige damals erarbei- tete Vorschläge wurden bisher in die Tat umgesetzt: die Schil- dower Sporthalle mit Aussen- flächen und der Dorfplatz, seit kurzem auch der von der Be- völkerung gut angenommene Wochenmarkt. Der Anteil jener ersten hundert Einwohner aber, die als eigentliche Pioniere mit der Schaffung des Dorfmodells den Grundstein gelegt hatten, wur- de bei den Einweihungsfeiern von den Lokalpolitikern nicht erwähnt. „Man hat den Bür- gern damit das Gefühl vermit- teln, nichts bewirkt zu haben“, bedauert Ingrid Bonas. Indessen sind in der Leit- bildgruppe mehrere Arbeits- gruppen am Wirken. Eine widmet sich zum Beispiel mit der Entwicklung der touristi- schen Infrastruktur in unserer Gemeinde. Eine weitere ist be- schäftigt mit dem Sorgenkind „Wohnen im Alter“, bei dem sich bekanntlich schon einige Projekte zerschlagen haben. Ingrid Bonas ist eine zierli- che Frau mit unerschütterlicher Energie, die sie neben der be- ruflichen Tätigkeit als Lehrerin an einer Berliner Schule und an der Schule in Schildow in diesem aufwändigen Ehrenamt einsetzt. Man spürt es in jedem Gespräch: sie hat ihr neues Zu- hause gefunden, ist angekom- men im Mühlenbecker Land. Bürgerin Bonas Die Vorsitzende unserer Leitbild-Gruppe Ingrid Bonas Text: Sigrid Moser Foto: FotoGruppe Sichtweisen
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