Mühlenspiegel 05

25 ten Gesprächspartner gibt. Dann machen wir uns auf zur Firma Cekok, einem mo- dernen Betrieb, der die Früchte der Region (und andere) versandfertig macht für ihren Weg in unsere Supermärkte. Abends fin- den wir uns in einem lauschigen Fischres- taurant, im Schneidersitz vor Bergen von köstlichem Fisch, Brot und Gemüse, nicht allein natürlich, nein, mindestens ein Dut- zend örtlicher Funktionsträger leisten uns Gesellschaft – türkische Gastfreundschaft eben. Am Mittwoch informieren wir uns über die touristischen Potenziale der Regi- on. Zuerst besichtigen wir die eindrucks- volle ‚Asthma-Grotte‘ und ‚Himmel und Hölle‘. Das eine ist eine gewaltige Tropf- steinhöhle, das andere ein riesiger Krater mit senkrechten Wänden (‚Hölle) bzw. eine über weitläufige, glitschige Wege erreichba- re Höhle. Sie verdankt ihren Namen (‚Him- mel‘) wohl den Überresten eines mittelal- terlichen Klosters an ihremEingang. Weiter geht es zur wenig erforschten Behausung der Heiligen Thekla, einer wundertätigen frühen Christin, zur Festung von Silifke und zu den Resten einer römischen Sied- lung mit Tempeln und Amphitheater. Ein anstrengender Schnelldurchgang durch ein Kulturangebot, das mehr Zeit verdient hät- te. Abends sitzen wir wieder im Kreis von Gemeindevertretern und Ausschussvor- sitzenden, aber auch Hoteldirektoren und Tourismusverantwortlichen am Hoteltisch und diskutieren die Möglichkeiten von Wirtschaftsansiedlungen und kulturellem Austausch. Bei uns gibt’s zwar keine Am- phitheater, aber immerhin die Mönchmüh- le … Auch der Donnerstag ist gespickt mit offiziellen Terminen. Wir besichtigen das örtliche Klärwerk, es passt perfekt zu un- serem Gesamteindruck von der Region: Tipptopp in Schuss, modernster Stand der Technik, erstklassig organisiert. Dann geht es ins Berufsbildungswerk, auch hier wird ganze Arbeit geleistet. Über 100.000 Fortbildungsmaßnahmen im letzten Jahr für Frauen, Männer und Jugendliche. Der Direktor überreicht uns Beispiele der Ar- beit der Ausbildungsklassen: Keramik, Schmuck, Porzellan. Danach besuchen wir noch einmal unsere kleine Zühlsdorfer Eiche. Ihr Pflanzloch ist mittlerweile um- rahmt von schneeweißen Kieselsteinen, wohl damit sie beim Rasenmähen nicht versehentlich mit umgesenst wird. Dann haben wir tatsächlich ungefähr 30 ungestörte Minuten, umMitbringsel für unsere Freunde und Angehörigen zu kau- fen, bevor uns ein Motorboot aufnimmt. Es umkreist die malerische ‚Mädchenburg‘, die ungefähr 500 Meter vom feinen Sand- strand entfernt im Mittelmeer liegt, und bringt uns dann in das Restaurant, in das wir unsere Gastgeber zum Abschied einge- laden haben. Der türkische Ministerpräsident Erdo- gan ist gerade in Mersin, alle örtlichen Poli- tiker müssen dorthin, aber der Bürgermeis- ter von Erdemli lässt es sich nicht nehmen, vorher bei uns vorbeizuschauen. Er nimmt uns das Versprechen ab, vor dem Rückflug noch einmal ins Rathaus zu kommen. Wir haben uns gegenseitig inzwischen gut ken- nengelernt, entsprechend ungezwungen und herzlich verläuft der Abend, als die of- fiziellen Reden verklungen sind. Der stell- vertretende Bürgermeister hat tatsächlich Tränen in den Augen, als wir auseinander- gehen. Letzter Tag, letzter Termin: Der Bürger- meister erwartet uns, wieder überrascht er uns mit Geschenken. Und mit der Auffor- derung, unbedingt bald wieder nachzuse- hen, ob es denn der Zühlsdorfer Eiche auch gut geht. Davon wird uns die örtliche Fuß- ballmannschaft wohl berichten können, der wir die Einladung der SG Zühlsdorf zum nächsten Heidefest überbracht haben. Der Rückflug bietet Zeit für ein Fazit. Wir alle haben den Eindruck, dass eine Partnerschaft mit dieser freundlichen klei- nen Stadt unserer Gemeinde nur gut tun kann. Wir können viel voneinander lernen und ein Beispiel dafür geben, dass die in Berlin manchmal vorhandene Ablehnung gegenüber ‚den Türken‘ nicht nur gedan- kenlos, sondern eine vertane Chance ist, Offenheit und Vielfalt als Bereicherung zu erleben. Natürlich ist der Weg nach Erdem- li weiter als nach Posen oder Straßburg, nach Gelsenkirchen oder Eisenhütten- stadt. Doch ist ein herzlicher Kontakt in die Türkei nicht auch ein positives Signal, ein echtes Alleinstellungsmerkmal für eine Gemeinde, die die Fehler ihrer großen ‚Vor- stadt‘ nicht wiederholen will? Jürgen Liebe- zeit vom ‚Oranienburger Generalanzeiger‘ schrieb: „Das Mühlenbecker Land, die graue Maus vor den Toren Berlins, wandelt sich zur bunten, weltoffenen Gemeinde.“ Wir freuen uns, dass wir daran mitwirken durften. www.erdemli.bel.tr Text: Thomas Henning Foto: Mehmet Gümüs Grafiken : Wikipedia, Fotolia Erdemli Türkei Im neuen Stadtpark: Gemeinsame Pflanzung einer Rot- eiche aus Zühlsdorf durch die beiden Bürgermeister Die Kreisstadt Erdemli liegt in der Provinz Mersin, direkt am Mittelmeer; die Einwohnerzahl beträgt rund 47.000 ERdemli ist eine aufstrebende Stadt mit vielen neuen und modernen Wohngebieten, Parks und kleinteiligen Gewer- be. Das Umland ist landwirtschaftlich geprägt, vor allem Zitrusfrüchte werden angebaut. In der Nähe befinden sich archäologisch interessante Stätten, z.B. Felsengräber

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