Mühlenspiegel 1
16 lese zeichen S onia ist Synästhetikerin, nach ei- nem unfreiwilligen Drogentrip spielen ihre Sinne verrückt: Sie sieht Geräusche, schmeckt Formen oder fühlt Farben. Nach einigen traumatischen Erlebnissen bringt dies für die allein ste- hende Mittdreißigerin den Ausschlag, ein neues Leben zu beginnen und in einem Hotel in einem abgelegenen Schweizer Tal ihrem alten Beruf als Physiotherapeutin wieder nachzugehen. Ein Aufenthalt in den Bergen soll ihr Gemüt be- ruhigen, doch das Gegenteil tritt ein: Im Spannungsfeld von archaischer Bergwelt und urbaner Wellness, be- drohlichem Jahrhundertre- gen und moderner Telekom- munikation beginnt ihre überreizte Wahrnehmung erst recht zu blühen – oder gerät die Wirklichkeit aus den Fugen? Kaum ist Sonia in dem frisch eröffneten Hotel an- gekommen, passieren seltsa- me Dinge. Gäste, Personal, aber auch die einheimische Bevölkerung benehmen sich höchst sonderbar. Freund- schaft kann sie nur mit einem schwulen Masseur schließen, der neben ih- rer alten Freundin zu ihrer einzigen Vertrauensperson wird. Woher es sich die junge Besitzerin des Hotels leisten kann, eine offenbar hochde- fizitäre Bettenburg zu führen, kann sich niemand so recht erklären. Eines Tages fährt jedoch eine Limousine aus Italien vor. In den Staub auf dem Lack hat ein flinker Finger „Der Teufel von Mailand“ geschrie- ben. Beinahe zur gleichen Zeit findet Sonia in der Bibliothek des Hauses in einem alten Buch unter dem Titel »Der Teufel von Mai- land« die Sage von Ursina, die für Schön- heit und Reichtum dem Teufel ihre Seele verkauft hat. Ist es wirklich Satan höchst- persönlich, der nun von der Hotelchefin sein Tribut fordert? Martin Suters Schreibstil zeugt von glasklarer Präg- nanz und herrlicher Unbe- kümmertheit. Entsprechend schnell kann man über die einzelnen Kapitel fliegen. Besonders interessant wird die Erzählung dabei durch die äußerst sensible Wahr- nehmung und Selbstfindung der Hauptperson Sonia Frey und de kauzigen Argwohn der Bewohner des Tals ge- genüber dem Hotelpersonal. Vor einer Märchenkulisse entsteht ganz sacht die be- drohliche Atmosphäre einer Gruselgeschichte. Zahlrei- che liebevolle Details, wie die Erdbeer- und Geranien- aktionen im Krämerlädchen und die Erfindung der rhä- toasiatischen Küche, sind Indiz für die Kreativität des Autors. Im »Teufel von Mailand« sind die besten Elemente aus Suters Werken vereinigt. Martin Suter, 1948 in Zü- rich geboren, ist Schriftstel- ler und Kolumnist. Bis 1991 arbeitete er als Werbetexter und Creative Director, bis er sich ausschließlich fürs Schreiben entschied. Seine Romane – zuletzt erschien ›Der Koch‹ – sind auch international große Erfolge. Er lebt mit seiner Familie in Spa- nien und Guatemala. Text: Raja Redlich Fotos: Reinhard Musold Seltsame Dinge geschehen ... Raja Redlich empfiehlt Martin Suters Der Teufel von Mailand Raja Redlich (45) ist Biblio- thekarin und betreut unsere Gemeindebibliothek bereits seit 2005. Ihren Beruf hat sie auf Rügen gelernt; seit 1991 lebt sie im Mühlenbecker Land. Die Gemeindebiblio- thek und die ihr angeschlos- sene Touristeninformationen sind (außer Montag) täglich von 10 bis 12 Uhr und ab 13 Uhr geöffnet. Die Sammlung umfasst knapp 6.000 Bücher und Filme. Der Verleih erfolgt für unsere Bürger kostenlos. Hauptstraße 9, Mühlenbeck Fon (03 30 56) 434 733 Mail bibliothek_m@g-m-l.de
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